Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

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Lagorce
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Lagorce »

Hier nochmals eine kurze und unvollständige Zusammenfassung über die Bremsen bei Seilbahnen.

Vorab soll darauf hingewiesen werden, dass insbes. bevor die EN (Europäischen Normen) für sog. CEN (Comité Européen de Normalisation) sich durchsetzten, gab es bei Seilbahnen eine beinahe unüberschaubare Variantenvielfalt bzgl. Bremsen.
Mit den EN (CEN-Bahnen) ist der Zulassungsaufwand so hoch geworden, dass Hersteller nicht mehr so viele verschiedene Varianten einsetzen.
Vielfalt bezieht sich insbes. auf die sog. Bremsphilosophie, d.h. vereinfacht, unter welchen Voraussetzen welche Bremse zum Einsatz kommt.

Gemeinsam für sämtliche zivilisierte Seilbahnen ist, dass eine Betriebsbremse (BB) sowie eine Sicherheitsbremse (SB) vorhanden sind. Beide sind so ausgelegt, jeweils eine davon ausreicht, unter den ungünstigsten Bedingungen (insbes. Lastfall, Seilspannung und Temperatur) die Bahn sicher anzuhalten und sie sicher im Stillstand halten zu vermögen.

Hier eine zweispurige Hochgeschwindigkeits-Pendelbahn mit kombinierter BB+SB und Steuerung mit nicht-künstlicher Intelligenz und Kopierwerk mit optischer Festpunkterfassung: :)
https://www.youtube.com/watch?v=ZCHTBsuIjUY
https://www.youtube.com/watch?v=VlXTO5CND-8

Vorschriften verlangen, dass gewisse Teile der BB und SB getrennt sind, gemeinsamer Öltank und Druckerzeugung sind üblich, danach sind die meisten Komponenten ausser für Hand-Notbedienung getrennt.

Die SB muss stets direkt auf eine Seilscheibe mit genügender Zugseilreibung (Seilbahnen mit Tragseil(e)) oder Förderseilreibung (Seilbahnen ohne Tragseil) wirken, und dies auch im worst-case Fall, Wirkung direkt auf Seilscheibe oder auf einen Ring, der sicher und direkt an der Seilscheibe befestigt ist.
Meist wirkt die SB auf eine Antriebsscheibe.

Die BB kann (muss jedoch nicht zwangsläufig) anderswo im Antriebsstrang wirken.
Sehr gängig ist eine Scheibenbremse am Schwungrad, das zwischen der Hauptantriebsmotorwelle und der Eingangswelle des Hauptantriebsgetriebes angeordnet ist. Bei dieser Anordnung entfällt die BB bei Verlust der drehmomentschlüssigen Verbindung zwischen Motor und Antriebsscheibe, z.B. bei Getriebe- oder Wellenbruch, sowie bei Bahnen, bei denen die Antriebsscheibe vom Getriebeausgang entkoppelt werden kann (ermöglicht Bergung bei blockierendem Getriebeschaden). Bei kleinen Motoren kann die BB auch (zwangs)lüfterseitig (sog. B-Lagerseite) montiert sein, entweder als kompakte Federdruckbremse oder externe Scheibenbremse an Schwungrad.

Die Bremsbelag-Anpresskraft für BB und SB muss mittels Druckfedern (Zugfedern sind verboten) oder Gewichte erfolgen. Die Lüftung (d.h. das Lösen oder Öffnen) der Bremsen kann hydraulisch (Zylinder), pneumatisch (Zylinder), elektromagnetisch (Hubmagnet) oder hydrodynamisch (Turbine und Zylinder in einem kompakten Kurzhub-Antrieb, selten bei Seilbahnen und nur für kleinere Bremsen) erfolgen.
Am gängigsten ist bei modernen Bahnen die hydraulische Ansteuerung. Bei gewissen Bahnen wird BB und SB unterschiedlich angesteuert, z.B. BB elektromagnetisch und SB hydraulisch.
Pneumatisch gelüftete Seilbahnbremsen sind nicht gängig, Pneumatik ist auch frostanfälliger als Hydraulik wobei auch bei Hydraulikanlangen ein übermässiger Wassergehalt bis zu funktionsgefährdernder Eisbildung führen kann.

Die Steuerung der BB und SB erfolgt während dem normalen Betrieb automatisch durch die elektrische Steuerung.
I.d.R. wird jedoch eine Seilbahn möglichst immer elektrisch angehalten, d.h. über die Bremswirkung des Hauptantriebs. Je nach Bremsenmanagement wird unmittelbar nach des Stillstand oder kurz davor die BB (ggf. in diesem Falle ungeregelt) geschlossen. Je nach Bahn kann dann zusätzlich die SB einfallen, bei gewissen Bahnen bleibt die SB in Normalfall stets offen.
Bei gewissen Pendelbahnen schliesst die SB nur in den Stationen, usw. Auch hier etliche Varianten.

Die SB ist meist ungeregelt, demnach ist das entsprechende Bremsmoment an der Seilscheibe lastunabhängig, somit können je nach Lastfall Bremszeit sowie Bremsweg stark variieren. Vorgegeben ist eine worst-case Mindest-Vezögerung und die höchste zu erwartende Verzögerung darf weder Benutzer noch Anlage gefährden (u.a. Extremwerte der Trägheit der bewegten Massen sowie Hangabtriebskomponente sind dabei massgebend).
SB kennt nur zwei Endstellungen: Vollständig geschlossen (ohne hydraulischen Restdruck) und vollständig gelüftet.
Endstellungen werden direkt mechanisch mittels Endschalter und/oder indirekt mittels Druckschalter überwacht.

BB ist oft geregelt (manchmal auch nur abgestuft). Bei geregelter BB ist die Verzögerung etwa konstant und lastfallunabhängig, demzufolge ist eine weitaus schonendere Abbremsung möglich.
Während einer geregelten Bremsung wird der Offenhaltedruck der BB mittels Servodruckventil oder Hochleistungs-Proportionaldruckventil stetig moduliert damit die Verzögerung (Abnahme der Seilgeschwindigkeit pro Zeiteinheit, in m/s2) lastunabhängig etwa konstant bleibt. Unterhalb einer bestimmten Geschwindigkeit wird die Regelung blockiert und auf Restdruck (oder ggf. drucklos) geschaltet.
Sinngemässes gilt auch für nicht hydraulische geregelte BB.

Geregelte SB sind nicht sehr gängig. Bei gewissen Bahnen wird Antrieb nicht freigeschaltet (sofern elektrischen Bremsen Bremsmoment aufbauen vermag), in den meisten Fällen wird jedoch Antrieb sofort Drehmomentlos geschaltet sobald BB oder SB nicht beide vollständig gelüftet sind (in beiden Fällen schliesst die entsprechende Bremse infolge der Offenhaltefehlfunktion).

Das Schliessen und Lüften der BB und der SB erfolgt während Normalbetrieb vollautomatisch durch die Steuerung. Bedienpersonal erteilt bei modernen Seilbahnen Fahr- bzw. Startbefehl und ggf. Geschwindigkeitsmaximalwert und danach fährt die Bahn vollautomatisch an.
Normalerweise wird elektrisch angehalten. BB und/oder ggf. SB schliessen automatisch unter gewissen Voraussetzungen, insbes. bei diversen Störungen.
Welche Störungen zur welchem Anhaltvorgang führen bestimmt der Seilbahnhersteller aufgrund von Risikoanalysen und Vorschriften sowie Normen.
Die meisten Störungen führen zum Einfall der BB, bei gewissen Fehlern schliesst die SB.
BB und SB können auch von Hand via Steuerung geschlossen werden.

SB Notbedien-Handventil ausser am Bremshydraulikaggregat selbst ist meist nur vorhanden wo vorgeschrieben (in der Schweiz meist bei Bahnen ohne rein mechanische Zentrifugal-Übergeschwindigkeitsauslösung der SB).

Prinzipiell garantiert die sicherheitsorientierte Geschwindigkeits-, Beschleuningungs/Verzögerungs-, Stillstands- und Fahrrichtungsüberwachungfunktion der Steuerung, dass im Fehlerfall eines Verzögerungssystems (ausser beim "nicht sicheren" AH, Anhalten [ohne Verzögerungsüberwachung]) automatisch ein weiteres Verzögerungssystem aufgerufen wird. Wie dies genau geschieht, kann je nach Bahn sehr unterschiedlich sein. Z.B. bei gewissen Seilbahnen wird bei ungenügender Verzögerung (=Abbremsung) der BB diese sofort wieder vollständig geöffnet und dabei fällt die SB ein, zusätzlich wird nach einem sicherheitsorientiert gehandhabten Timeout die BB unbedingt wieder geschlossen. Bei anderen Bahnen ist eine Kombibremsung BB + SB zulässig, usw.

Über die Vor- und Nachteile verschiedener Bremsphilosophien könnte man ganze Fachbücher schreiben, ATV hatte diesbezüglich einige hochinteressante Beiträge im Forum gepostet, leider ist er glaub hier nicht mehr aktiv.

Bei sämtlichen Seilbahnen muss die BB sowie die SB notfalls von Hand gelüftet werden können, also auch bei vollständigem Ausfall jeglicher Hilffspannung (z.B. vollständig entladene Batterien).

Bei Seilbahnen mit Dieselmotor für die Bergung kann je nach Ausführung das Bremsaggregat während der Räumungsfahrt vollständig, teilweise oder auch gar nicht mehr betriebsfähig sein. Je nach Ausführung arbeiten die Bremsaggregat-Hydraulikpumpen normal (z.B. gespeisen von Drehstromhilfsgenerator des Dieselmotors), oder es kommt eine Notpumpe (z.B. 24 V Batteriespannung) zum Einsatz.
Gängig ist ebenfalls die Bremshydraulik-Druckerzeugung durch eine vom Dieselmotor angetriebene Hilfspumpe.
Bei Super-Budget-Ausführungen muss bei Notbetrieb mit Dieselmotor von Hand gepumpt werden falls keine andere Hydraulikpumpe mehr betriebsfähig bleibt.

Hoffe, dass meine Erläuterungen in etwa stimmen, es gibt ja so viele unterschiedliche Bahnen und da kann man unmöglich alle Varianten kennen.


Edit:
Ergänzungen und nebensächliche Korrekturen.
Zuletzt geändert von Lagorce am 27.03.2018 - 05:28, insgesamt 1-mal geändert.

Lagorce
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Lagorce »

Spezialwidde hat geschrieben: 26.03.2018 - 19:57 Wenn man von unzuverlässiger Netzversorgung weiß wird man doch wohl zumindest für die Steuerungsanlagen eine USV vorsehen müssen oder ist dort nichtmal das Pflicht?
Man muss zwischen Steuerung und Antriebs-Leistungelektronik unterscheiden.

Frequenzumrichter (FU) für Wechselstrom-Antriebe sowie Stromrichter für Gleichstromantriebe überwachen die Netzspannung sehr genau.
Bei FU werden meist high-end rückspeisefähige Geräte mit ISU (IGBT Supply Unit, auch active frontend genannt) von ABB, Siemens oder Vacon eingesetzt (wobei Vacon von Danfoss übernommen wurde und ich selbst hab's nie geschafft, sachdienliche Infos bzgl. Grossantriebe vom damaligen Vacon Support zu kriegen). Diese Art rückspeisfähige Speiseeinheit ist sehr tolerant gegenüber gewisse netzseitige Störungen und kann auch je nach Parametrierung sich sehr schnell wieder mit dem Netz sychronisieren.
Stromrichter sind da wesetliche heikler, insbes. während dem Betrieb in einem Bremsquadranten (Netzausfall während regenerativem Bremsbetrieb kann zum sog. Kippen des Stromrichters führen, was von Sicherungsfall bis Thyristorschaden führen kann, zwar gibt es Kipp-Schutzsysteme, kenn die jedoch nicht, habe schon seit langem keinen SIMOREG oder ABB DCS (vormals auch Veritron) in Betrieb genommen).
Moderne FU und Stromrichter können intern Störungen aufzeichnen, welche Daten nach Steuerspannungsausfall noch vorhanden sind ist geräteabhängig.

Die Seilbahnsteuerungen die ich etwas kenne verfügen in der Antriebsstation (AS) über zwei getrennte batteriesätze (meist 24 V) wobei einer als Startbatterie für den Dieselmotor dienen kann, dabei bricht allerdings die Spannung während des Anlassvorganges momentan zusammen. U.a. dienen getrennte Batteriespeisungen einer sichereren Ansteuerung der Bremsen, insbes. bei Anlagen wo Kombibremsung (BB+SB gleichzeitig) möglichst verhindert werden muss.

Automatisierung ist meist 24 V DC, sollte man über DC USV oder zumindest DC/DC Wandler speisen, da ansonsten etwa 28 V DC während der Batterieladung anliegen und dies liegt oberhalb der üblichen Spannungstoleranz für 24 V DC Automatisierungskomponenten ausser denen für sog. "Mobile" sowie Aviatik Anwendungen.

Kleine 230 V 50 Hz USV oder 24 V DC/230 V AC 50 Hz Wechselrichter ist oft vorhanden, z.B. für Bildschirm, Büro PC, Printer, usw.
Industrie-Displays werden oft mit 24 VDC gespiesen, dasselbe gilt für gewisse PC.

Grundsätzlich spielt Netzausfall keine Rolle für die Steuerung, lediglich die Bahn wird mittels BB angehalten. Elektrisch kann normalerweise nicht mehr gebremst werden, zudem sind nur permanentmagneterregte Synchronmotoren in der Lage eine FU-Zwischenkreisspannung im generatorischen Betrieb wieder aufzubauen und dann müssten noch Bremschopper und -widerstände vorhanden sein.
Grösstes Problem bei Neztstörungen sind mögliche Stromrichterschäden bei DC Antrieb.
Für AC Antrieb spielt Netzausfall keine Rolle, Antrieb schaltet lediglich aus (ISU und INU Modulierung stoppt einfach, DC Zwischenkreis entlädt sich dann langsam über Widerstände), lediglich die maximale Anzahl von Einschaltungen pro Stunde ist begrenzt.

Netzspannung wird entweder mit Netzwächter (spezielle Überwachungsrelais) überwacht, oder es kommen spezielle Kombigeräte zum Einsatz (auch z.T. mit Energiemessung, Oberwellenmessungen, ausführliches Datalogging, usw.), private Energiemessung ist z.T. gar vorgeschrieben.
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von markus »

Zu diesen Ausführungen gibt es eigentlich nichts mehr zu sagen, das müsste auch jeder verstehen! :top:
Lagorce
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Lagorce »

markus hat geschrieben: 25.03.2018 - 14:13 Hier ist nochmals mein Bremssystem beim Leitner. Hat sogar 2 unabhängige Bremsen😂.
Bei der Antriebsscheibe erkennt man noch mal die mechanische und elektrische Auslösung übergeschwindigkeit Fliehkraft.
Die Auslösung ist ein eigener Kreislauf genau wie der Handabzug am Hauptsteher.
Für Lagorce habe uch noch das Hydraulische Schema der BB und SB fotografiert.
Aber Achtung ist eine Direct Drive Anlage!
Nochmals besten Dank für die genialen Bilder!

Bzgl. Handabzug am Hauptsteher, vertehe ich es richtig, dass noch weitere Notbedien-Handventile vorhanden sind? Im Schema sind insgesamt 3 Handventile dargestellt, weiss jedoch nicht, ob dies der effektiven Ausführung zutrifft, oder ob Anzahl je nach Anlage unterschiedlich ist. Teile der technischen Unterlagen sind identisch für alle bauartgleiche Bahnen während andere, für jede Bahn einzel erstellt werden.
Im Doppelmayr Buch ist das bekannte Beispiel einer Bremsbetätigung am Steher aufgeführt, die beim Rollback wegen den vorbeirasenden FBM (Fahrbetriebsmittel) nicht mehr erreicht werden konnte.

Direct Drive (Direktantrieb) bedingt hier, dass BB (Betriebsbremse) und SB (Sicherheitsbremse) beide auf die Antriebsscheibe wirken, da ja kein Getriebe vorhanden ist (auch bei den "unechten" Direct Drives mit langsamlaufendem permanentmagneterregtem Synchronmotor und Planetengetriebe in der Seilscheibennabe ist glaub kaum eine andere BB Anordnung möglich als direktwirkend auf die Seilscheibe).

Modulare Direct Drives stehen übrigens auch für Pendelbahnen und Standseilbahnen zur Diskussion, typische Trägheistwerte könnten jedoch nicht so optimal für die Bremsauslegung sein (müsste man mal anhanden eines Beispiels nachrechnen). Kann dies nicht so genau beurteilen, das solche Antriebe herstellerspezifische Entwicklungen sind, im Gegensatz zu den Asychronmotoren, die auf handelsüblichen Baureihen beruhen (entweder IEC Norm/Transnorm oder Kompakt-Hochleistungsausführungen die von weitem eher wie Gleichstrommotoren aussehen).

Getrenntes Hydraulikaggregat für SB und BB hab ich noch nie so ausgeführt gesehen. Vorteilhaft ist das komplett getrennte Ölvolumen, idealerweise könnte man sogar Hydrauliköl von zwei verschiedenen Herstellern einsetzen.
Etwas nachteilig ist u.U. die nicht redundante Druckerzeugung, gehe jedoch davon aus, dass eine komplette Pumpe mit Motor als Ersatz auf Lager ist.
Ist die SB Pumpe eine Unterölpumpe bei der die Wicklungen direkt im Öl liegen (ohne eigentliches Statorgehäuse), wie dies bei gewissen Hebebühnen und Aufzüge der Fall ist? Oder ist es ein normaler Motor der im Tank, jedoch oberhalb des max. Ölniveaus plaziert ist?
Unklar ist Motortyp, nach schema AC, nach Stückliste und Drehzahlangaben eher DC... (DC = Direct Current = Gleichstrom), möglicherweise 24 V DC? Wäre irgendwie auch sinnvoll für die Bergung mit Hydrostat. Anscheinend wird bei dieser Bahn weder die BB noch die SB von von einer Hilfspumpe am Diesehmotor gespiesen. Ob hier Dieselmotor einen kleinen Notstromhilfsgenerator antreibt weiss ich nicht, ist zwar eher bei grossen Pendelbahnen üblich (z.B. Drehstrom-Synchrongenerator der notfalls sämtliche wichtige Hilfsbetriebe speisen vermag).

Bleibt bei Deiner Bahn die SB stets offen, d.h. auch beim Stillstand während dem normalen Betrieb?
Dies wäre sicherheitstechnisch nicht nachteilig sofern regelmässig SB geprüft wird (automatische Prüfzyklen?), da SB bei Versagen der BB automatisch schliessen würde.

Mir fällt eigentlich nur folgendes auf: Keine elektrische Verschutzungsanzeige des Druckfilters (die mechanische Anzeige mit dem grünen Ring wird jedoch regelmässig visuell kontrolliert), keine Mindestölstandserfassung (ausser die wäre mit Pos. 27 kombiniert, was jedoch nicht ersichtlich ist, Mindestölpegelalarm wäre sinnvoll) und die beiden Ruhestromventile (Pos. 16/1 und 16/2) dienen als Tankableitung ohne Blockierung einer Weiterleitung des Drucks. Über letzteres kann man sicherheitstechnisch streiten, IMO ist die Leitner-Lösung sicher, einfach und zuverlässig, zudem wird bei geschlossener SB das Öl drucklos zirkuliert sofern die Pumpe in Betrieb bleibt, was wiederum Vorteile mit sich bringt.

Sofern die SB im Normalbetrieb stets offen bleiben würde, könnte man annehmen, dass die Pumpe eigentlich nicht viel arbeiten muss und lediglich zur Aufrechterhaltung des Speicherdrucks gelegentlich einschaltet.

Bei Bahnen wo die SB stets nach Schliessen der BB ebenfalls schliesst, steht IIRC die Pumpe meist ununterbrochen
im Betrieb (die Anlagen, die ich kenne weisen jedoch ein gemeinsames Bremshydraulikaggregat für die BB und SB auf, Druckerzeugung ist gemeinsam, danach sind die Systeme für BB und SB vorschriftsgemäss getrennt, bei gewissen Bahnen werden vollredundante Bremshydraulikaggregate eingesetzt bei denen eigentlich ausser dem Tank, Temperatur- und Niveaüberwachung sowie die Handpumpe, Handumschaltung, usw. alles doppelt vorhanden ist; Umschaltung erfolgt meist von Hand, in einzelnen Fällen (schwer zugängliche Antriebssation) kann eine ferngesteuerte Umschaltung vorhanden sein).

Die Garaventa/Doppelmayr Bremshydraulikaggregate sind etwas komplexer aufgebaut, ob dies letzendlich die Sicherheit positiv oder negativ beeinflusst müsste man anhanden einer formalen Risikoanalyse ausrechnen. Gehe jedoch davon aus, dass sowohl die Leitner wie auch die Garaventa/Doppelmayr Bremshydrauliksysteme sehr sicher sind.
Einziger persönlicher Vorbehalt ist die für pre-CEN in CH übliche Kombination von 1x Arbeitsstromventil + 1x Ruhestromventil für SB, war stets gegen nicht-redundante Ruhestromventile bei der SB und wäre eingentlich der Meinung, dass man nachträglich entsprechend umrüsten sollte; habe nichts gegen das Diversitätsprinzip, jedoch hier nicht auf Kosten der Redundanz. Wird mit zwangsöffnung der SB gefahren ist nur noch einkanalige Sicherheit gewährleistet, da ein Arbeitstromventil nicht sicherheitsorientiert ist; bei der BB ist das einkanalige Ruhstrom-Schnellschlussventil nicht so kritisch, da die BB als solche keine formale absolute Sicherheistfunktion erfüllt.

Interessant, dass BB ebenfalls über Fliehkraftpendel ausgelöst wird, oft wird nur die SB über Zentrifugalschalter ausgelöst (wenn überhaupt). Da jedoch eine Übergeschwindigkeit ausser bei Tests eigentlich auf einen schwerwiegenden Fehler zurückzuführen ist, kann es durchaus sinnvoll sein, die BB auszolösen, insbes. da hier BB und SB auf diesselbe Seilscheibe wirken (gehe davon aus, dass Kombibremsung hier zulässig ist, zumindest im Notfall).

Beim BB Aggregat fällt mir nebst fehlender elektrischer Druckfilterverschmutzungsüberwachung der 1-phasige Motor auf (sofern nicht ein 3 oberhalb des "~" von Pos. 12 ist). Ist da kein Drehstrommotor verbaut? Viel zuverlässiger als 1-phasig mit Kondensator. Tippe auf kleinen Fehler im Schema oder habe es falsch gelesen.
Anscheinend wäre die BB ungeregelt? Sehe ich das richtig? Es sei dann Pos. 30 wäre ein proportionalgesteuertes Druckreduzierventil, ist jedoch nicht mit Proportionalmagnet dargestellt.

Wird bei dieser Bahn stets elektrisch gebremst (sofern antriebstechnisch noch möglich) und sind Bremswiderstände für einmaliges Stillsetzen bei Netzausfall vorhanden?
Permanentmagnetmotoren können auch bei Netzausfall regenerativ Bremsen da sie nicht vom FU (Frequenzumrichter) magnetisiert werden müssen, dies muss jedoch von der FU Firmware her möglich sein.
Gewisse Permanentmagnetmotoren darf man sogar zum Notbremsen direkt an den Klemmen bzw. über Bremswiderstände kurzschliessen, weiss nicht, ob sowas hier zulässig ist und auch gemacht wird.

Im Gegensatz zu Asynchronmotoren könnte bei einem Rollback mit permanentmagneterregtem Synchronmotor die Klemmenspannung bei Überdehzahl gefährlich ansteigen und ggf. den FU beschädigen (sofern nicht galvanisch getrennt wird).


Nochmals ganz klar zu erwähnen ist, dass die Wahrscheinlichkeit eines Rollbacks extrem gering bleibt, der Vorfall bei der 4-CLF Sadzele in Gudauri entspricht einem der schwerstmöglichen Bedienfehlerkombination überhaupt.
Sogar jemand ohne hochqualifizierte Fachausbildung hätte in der Lage sein sollen, den SB Handabzug zu betätigen. oder der rote Hebel an der Bremshydraulik im Nebenraum umzulegen, insbes. da sehr wahrscheinlich die SB von Hand ebenfalls direkt am Aggregat geöffnet wurde.

Abschliessend betrachtet bleibe ich lediglich der Meinung, dass, wie ich es bereits mehrmals und auch schon 2009 hier im Forum erwähnte, eine absolut rein mechanische nicht überbrückbare fahrrichtungsunabhängige Zentrifugalauslösung der SB bei jeder Seilbahn vorhanden sein sollte, wie es vormals die CH-Vorschriften verlangten.

Über Hydraulik-Handventil im Kommandoraum, usw. kann man geteilter Meinung sein.
Bei Brandfall im Kommandoraum könnte somit u.U. ein Leerfahren der Bahn mit der Brandfallsteuerung oder im direkten Handbetrieb verhindert werden (Handbetätigung der Bremsen und Handbetätigung der Hubraumverstellungsvorsteuerventile des Hydrostatantriebs; gewisse Bergeantriebe können ohne jegliche Hilfsspannung betrieben werden sofern Dieselmotor gestartet werden kann, andere sind wiederum auf gewisse elektrische Steuerungskomponenten angewiesen, insbes. bei neueren Dieselmotoren mit ECU (Electronic Control Unit), die z.B. mittels SAE J1393 Protokoll über CAN Bus volldigital angesteuert werden müssen).
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von stephezapo »

Details sind noch nicht bekannt, aber menschliches Versagen wurde bestätigt:

https://industriemagazin.at/a/unfall-mi ... ls-ursache
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Spezialwidde
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Spezialwidde »

stephezapo hat geschrieben: 27.03.2018 - 11:57 Details sind noch nicht bekannt, aber menschliches Versagen wurde bestätigt
War ja wirklich zu erwarten.
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Lagorce »

Habe weiter oben was falsches oder unklares geschrieben: Bremshydraulik, Spannhydraulik sowie hydrostatischer Notantrieb können denselben Hydrauliktank (inkl. ggf. Niveau-, Temperaturüberwachung, etc.) teilen, wobei die Druckerzeugung für die Bremsen von deren der Spannhydraulik getrennt ist (habe es noch nie kombiniert gesehen).

Wie erwähnt kann Druckerzeugung für Sicherheitsbremse (SB) und Betriebsbremse (BB) gemeinsam ausgeführt werden, danach schreiben Vorschriften eine weitgehende Trennung der Hydraulik-Komponenten der SB von deren der BB vor. Lediglich Handpumpe, gewisse Umschaltventiles, usw. sind gemeinsam.

Habe mir die Videos nochmals angesehen.
Bzgl. Ausführung der Bergeantriebs kann ich nicht sehen, ob ein Zahnkranz vorhanden ist oder nicht.
Die Aussagen über angebliches Notstromaggregat stelle ich sehr stark in Frage, da für Doppelmayr "ChairDrive" (Marketing-Modellbezeichnung) für die Räumung entweder Hydrostatantrieb mit Zahnkranz an Antriebsscheibe oder Hydrostatantrieb via Getriebe verfügbar sind.

Für einen getrennten Notantriebs-Elektromotor würde der notwendige Raum unter der Abeckung fehlen und ausser bei (über)komplex ausgeführten integrierten Räumungen wie z.B. beim Vanoise Express (Frankreich) oder in Portland (OR, USA) sowie bei seltenenen Kuriositäten wie bei Tortin, sind Diesel-Ersatzstromaggregate für Bergeantriebe relativ selten. Bei der Aiguille du Midi (F) erlauben IIRC Ersatzstromaggregate sogar den Normalbetrieb bei Stromausfall.
Demnach gehe ich eher von falschen Informationen bzgl. der 4-CLF Sadzele aus. Gewöhnlicher Diesel-Hydrostat mit kleinem Dieselmotor in Raum (Doppelflügel-Metalltür mit Lüftungsjalousien im unteren Teil) neben dem Kommandoraum scheint mir weitaus wahrscheinlicher. Dass kein Abgasrohr in den Videos sichtbar ist, bleibt bedeutungslos, da je nach Ausführung Auspuffrohr horizontal herausgeführt wird, meist schräg abgeschnitten.

Während dem Rollback und grösstwahrscheinlich bereits zuvor war Antriebsabdeckung geöffnet und Podestteil aufgeklappt. Dies deutet wie andere Forummitglieder es zuvor erwähnt haben, auf Eingriffe am Antrieb hin, sehr plausibel wären solche im Zusammenhang mit der Vorbereitung für eine Räumung mittlels Diesel-Hydrostatantrieb.

Da Rollback offensichtlich durch schliessen irgendwelcher mechanischen Bremse(n) beendet wurde, kann man davon ausgehen, dass höchst wahrscheinlich absolut keine gefahrenbringende Fehlfunktion der Sicherheitsbremse (SB) vorlag und dass diese lediglich entgegen den Betriebsvorschriften von Hand geöffnet wurde.
Dass die SB nicht sofort beim Eintreten des Rollbacks von Hand wieder geschlossen wurde, ist ebenfalls höchst wahrscheinlich auf eine weitere noch gravierendere Fehlbedienung zurückzuführen.

Forensisch-technisch betrachtet ist im hier besprochenen Fall die Wahrscheinlichkeit einer temporären gefahrenbringenden technischen Störung, die ein Einfallen der SB verhindert nahezu null.
Demnach deuten sämtliche Feststellungen auf schweres menschliches Versagen.

Sofern die dafür relevanten Teile der Steuerung nicht willentlich ausgeschaltet wurden, sind sämtliche wichtige elektrisch überwachbare Bedienereingriffe mit Timestamp (Auflösung ca. 100 ms oder besser) aufgezeichnet worden.
Insbes. Überbrückungen sowie Schaltstellungen von elektrisch stellungsüberwachten Handventile werden normalerweise automatisch journaliert (Datalogging umfasst ebenfalls Fahrgeschwindigkeit, Windstärke und -richtung, Bremskurven, BB Regeldruck, BB und SB Zustände, und zahlreiche weitere Parameter; gewisse Daten kann der Betreiber anzeigen oder ggf. auch ausdrucken, andere bleiben dem Steuerungshersteller als sog. CYA-Absicherung vorbehalten, Sinngemässes gilt auch für den FU).

Dass ein Stromausfall aufgezeichnet wurde, sagt nichts über das Datalogging der Steuerung oder der des FU (Frequenzumrichter) aus, das nirgends genau aufgeführt wird, welches Gerät den Stromausfall aufgezeichnet hat, kann sowohl die Steuerung, der FU (genauer die ISU (=Active Frontend) Control Unit), oder eine getrenntes Energiemessgerät sein (meist ein Paneleinbaugerät, das ggf, mit der Steuerung verbunden sein kann).

Die erreichte Rollback-Geschwindigkeit beträgt ca. 5.6 m/s wie es Theo aufgrund der Videos ermittelte, also etwa 215 % von den herstellererlaubten 2.6 m/s (gefahren wurde vermutlich meist langsamer, siehe diverse ältere Videos).
Die Zentrifugalbeschleunigung auf den Rillengrund der Antriebsscheibe bezogen beträgt dabei etwa 12 bis 13 m/s2 (ca. 1.2 bis 1.3 "g"), also als solche auch unter Berücksichtigung der Jerks für den menschlichen Körper unbedenklich (Geringer als bei gewissen Schaustelleranlangen); die Gefährung ist alleinig auf die Folgen der Zusammenstösse zurückzuführen.
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Liftler1976 »

@ Lagorce:

Den letzten Satz würde ich nicht bestätigen!
Der erste voll besetzte Sessel (im Video), der rückwärts um die Seilscheibe fährt, verhakt sich durch die hohe Fliehkraft schon außerhalb der Sesselführung, und wird sehr abrupt gestoppt, verkeilt sich, und wird dadurch vom Seil gerissen.
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Lagorce »

Liftler1976 hat geschrieben: 27.03.2018 - 21:23 @ Lagorce:

Den letzten Satz würde ich nicht bestätigen!
Der erste voll besetzte Sessel (im Video), der rückwärts um die Seilscheibe fährt, verhakt sich durch die hohe Fliehkraft schon außerhalb der Sesselführung, und wird sehr abrupt gestoppt, verkeilt sich, und wird dadurch vom Seil gerissen.
Kann die Bremsung nicht 100 %-ig bestätigen, anhanden der Verzögerung betrachte ich dennoch als wahrscheinlich, dass irgendeine mechanische Bremsung (SB oder BB, oder beide zusammen?) den Rollback beendete.

Vielleicht kann jemand die mittlere Verzögerung in m/s2 aufgrund der videos (insbes. von der Umlenkscheibe in der Bergstation) einschätzen, damit könnte man abschätzen, ob dies z.B. etwa NHSB (Nothalt-Sicherheitsbremse) entspricht.
Für eine erste approximative Berechnung kann man Förderseilmasse, Sessel (mit Gehänge und Klemme, leer ca. 200 kg pro Stück), Personenlast, Trägheitsanteil von Seilscheiben, Antrieb und Seilrollen der Streckenbauwerke sowie Stationen abschätzen.
Für genauere Berechnungen müsste man sich auf die effektiven Hauptdaten und insbes. Längsprofil stützen können und ggf. mit einem spezialisierten Programm nachrechnen.
Ggf. könnte mal man schauen, ob man auf RM Daten einer ähnlichen Bahn finden kann, Sadzele ist dennoch für diese Bauart überdurchschnittlich lang, die meisten Doppelmayr 4-CLF des ChairDrive Typs, die ich auf RM fand sind einiges kürzer.

Einfluss von noch am Seil hängenden Sesseln ist quantitativ schwer einzuschätzen, die meisten Klemmen wurden jedoch vom Förderseil schlagartig abgerissen.

Wie aufgeführt, die SB und/oder BB Abbremsung ist eine reine Vermutung meinerseits.

BTW Bei kurzzeitigem Antrieb bei 215 % Nenngeschwindigkeit ist ein 4-poliger Asynchronmotor eigentlich noch nicht akut gefährdet und Lager onehin nicht. Sofern Motor wirklich noch von der Last angetrieben wurde, vermute ich, dass Motor nicht beschädigt wurde.
Ob Motor effektiv mitlief oder nicht kann man m.E. nicht aufgrund der Geräusche feststellen.
Geräusche kann ich nicht genau interpretieren, einerseits hat man den Eindruck, dass das Getriebe mitläuft, könnte jedoch auch täuschen falls Lärm vom Spannhydraulikaggregat im Steher stammt, weiss jedoch nicht, ob dieses soviel Lärm generiert (und blaue Abdeckung am Steher ist geschlossen auch wenn kaum schalldämmend).

Aufgrund der Geräusche kann ich mir deshalb kein genaues Bild über den Zustand des Antriebs während dem Rollback machen.
Mal sehen was Spezialisten, die solche Anlagen weitaus besser als ich kennen dazu meinen.

Tyrolens
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Tyrolens »

Theo hat geschrieben: 26.03.2018 - 10:37 Stromversorgung für die Bremsen = Akkuspannung. Die Bremsen hängen nicht direkt am Stromnetz, sonst würde man ja alles überbremsen wenn der Strom ausfällt.
Kann aber auch andere Gründe geben, z.B. Regelventile defekt, Ansteuerung nicht mehr möglich.

Merci.
Ich meinte damit: Strom komplett weg. Also weder eine Versorgung durch das Netz, noch durch Akkus oder das Dieselaggregat.

Ist natürlich sehr unwahrscheinlich, dass so etwas eintritt. Kann aber auch sein, dass die Akkus nicht gewartet wurden (oder sind die im System integriert mit Ladung und Überwachung?). Der Dieselmotor könnte auch durch schlechten Diesel nicht anspringen.

Mir geht es darum, so einen Fall zu konstruieren. Was müsste man machen, damit...

Sobald Strom im System vorhanden ist, arbeiten doch alle Sicherheitssysteme. Eine solche Rückwärtsfahrt ist nach meinem Verständnis in einem solchen Fall nicht möglich.
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von gfm49 »

"Das Unglück in einem Sessellift im georgischen Skigebiet Gudauri am 16. März ist offenbar auf einen Bedienungsfehler des Liftpersonals zurückzuführen. ...
... Der betreffende Mitarbeiter sei suspendiert, zwei ranghohe Angestellte des Skigebietsbetreibers seien freiwillig zurückgetreten, weil sie sich „moralisch verantwortlich“ fühlten. Alle Verletzten haben nach Angaben Kumsishvilis inzwischen das Krankenhaus verlassen. Sie seien eingeladen, im nächsten Jahr umsonst in Gudauri Ski zu fahren."

Quelle: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft ... 15323.html
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Liftler1976 »

Lagorce hat geschrieben: 27.03.2018 - 20:42 Die Zentrifugalbeschleunigung auf den Rillengrund der Antriebsscheibe bezogen beträgt dabei etwa 12 bis 13 m/s2 (ca. 1.2 bis 1.3 "g"), also als solche auch unter Berücksichtigung der Jerks für den menschlichen Körper unbedenklich (Geringer als bei gewissen Schaustelleranlangen); die Gefährung ist alleinig auf die Folgen der Zusammenstösse zurückzuführen.
@ Lagorce: Ich meinte damit, dass der eine vollbesetzte Sessel sehr abrupt zu stehen kam, von 20 auf 0 km/h quasi in 0 sec, und dann noch zum Boden gefallen ist, das waren vermutlich mehr als 1.3 "g".
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Lagorce »

Tyrolens hat geschrieben: 28.03.2018 - 08:43 Ich meinte damit: Strom komplett weg. Also weder eine Versorgung durch das Netz, noch durch Akkus oder das Dieselaggregat.

Ist natürlich sehr unwahrscheinlich, dass so etwas eintritt. Kann aber auch sein, dass die Akkus nicht gewartet wurden (oder sind die im System integriert mit Ladung und Überwachung?). Der Dieselmotor könnte auch durch schlechten Diesel nicht anspringen.

Mir geht es darum, so einen Fall zu konstruieren. Was müsste man machen, damit...

Sobald Strom im System vorhanden ist, arbeiten doch alle Sicherheitssysteme. Eine solche Rückwärtsfahrt ist nach meinem Verständnis in einem solchen Fall nicht möglich.
Habe dies weiter oben bereits ausführlich erläutert: Netzausfall hat keinen sicherheitsrelevanten Einfluss auf eine Seilbahn, bei nicht antiken Steuerungen wird die Bahn normal angehalten (hier nicht im Sinne von "AH", Anhalten als elektrisches Bremsen onhe Verzögerungsüberwachung gemeint). Bremsen sind failsafe und mit Stickstoff geladene Hydraulik-Druckspeicher erlauben eine Aufrechterhaltung der Regulierung der Betriebsbremse (BB) (wo vorhanden).

Komplettausfall sämtlicher Steuerspannungen ist relativ unwahrscheinlich, jedoch nicht völlig auszuschliessen, insbes. bei Fehlbedienung von Sicherungsautomaten in der Steuerspannungsverteilung, führt zu einer Schnellschluss-Kombibremsung, .d.h. Sicherheitsbremse (SB) fällt zusammen mit der Betriebsbremse (BB) ein, wobei bei der BB keine Regelung mehr stattfindet weil BB Schnellschlussventil den BB-Offenhaltedruck ohne Restdruck in den Tank entlastet. Je nach Ausführung kann demnach die BB etwas stärker Bremsen als die höchste bei mit Regelung erreichbare Verzögerung.
Schnellschluss-Kombibremsung verursacht die höchste Seilscheiben-Verzögerung (umgangssprachlich "stärkster Bremseffekt").
Je nach Bahn und vorliegenden Bedingungen (insbes. Lastfall, Geschwindigkeit, Fahrrichtung, Abspannung, usw.) kann dies in sehr ungünstigen Fällen zu, meist geringfügigen, Schäden bzw. Störungen führen. In den allermeisten Fällen passiert statistisch gesehen jedoch nichts gravierendes, dynamische Effekte können dennoch spektakulär ausfallen. Insbes. bei offenen Fahrbetriebsmitteln wie Sessel oder "Cabrio" Kabinen muss ein herausschleudern von Personen verhindert werden.

BTW Diskussionen in U.S. Foren über Seilbahnen sollte man mit Vorsicht geniessen, Seilbahnen nach einheimischem USA Rezept sind oft recht exotisch und entsprechen nicht den west-europäischen Bauarten.
M.E. sind nahezu sämtliche technisch (auch sicherheitstechnisch) vernünftige Seilbahnen in den USA von Herstellern aus CH, AT, FR, IT, usw. erstellt worden.
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Lagorce »

Liftler1976 hat geschrieben: 28.03.2018 - 09:32 @ Lagorce: Ich meinte damit, dass der eine vollbesetzte Sessel sehr abrupt zu stehen kam, von 20 auf 0 km/h quasi in 0 sec, und dann noch zum Boden gefallen ist, das waren vermutlich mehr als 1.3 "g".
I habe mich ausschliesslich zur Zentrifugalbeschleunigung (weiss nicht mehr die genaue Bezeichnung auf Deutsch in der Physik, ist der Betrag v^2/r, also eine radiale Beschleunigung in m/s^2) beim Umlauf an der Antriebs- oder Umlenkscheibe geäussert. Schätze, dass Durchmesser am Rillengrund eines neuen Futters gemessen so etwa im Bereich 4.8 bis 5.0 m liegt (typischer 4-CLF Wert).

Hier kommt die Gefahr von den Folgen des Herausschäudern sowie Aufprall gegen Teile des Sessels, eine gleiche Radialbeschleunigung bei einem Roller Coaster wäre gefahrenlos.
Um andere Beschleunigungen einzuschätzen müsste man Videos Frame um Frame analysieren, um den Bewegungsablauf genauer modelisieren zu können.
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Lagorce »

Gemässe öffentlich zugänglichen Informationen von 2017 kann ich noch folgendes hinzufügen bzgl. Doppelmayr Bremsphilosophie für (gewisse?) Gondelbahnen.
Da ich wie bereits erwähnt die 4-CLF "ChairDrive" Bauart nicht direkt kenne, kann ich auch nicht bestätitgen, inwieweit dies auch für die 4-CLF Sadzele zutrifft.

Beispiel bezieht sich auf Doppelmayr UNI-G (UNIG) MGD (kuppelbare Gondelbahn):

Nach dem Umstellen der Bremshydraulikaggregat-Handventile auf Notantrieb (hier allgemein als Bergeantrieb gemeint, nach altem CH-Gebrauch wurde zwischen Not- und Hilfsantrieb unterschieden, wobei dies in der Fachliteratur offensichtlich nicht gross berücksichtigt wird, und die CH-Begriffsdefinition war auch irgendwie verwirrend) passiert zuerst mal nichts bzgl. BB (Betriebsbremse) und SB (Sicherheitsbremse), beide bleiben geschlossen.

Wichtige Umschaltventile des Bremshydraulikaggregats sind mit elektrischen Schaltstellungsendschalter ausgestattet, durch diese Überwachungen erlaubt die elektrische Steuerung kein elektrisch gesteuertes Lösen der Bremsen solange die Bahn nicht Anfahrbereit mit Haupt- oder Notantrieb ist, zumindest in den üblichen Betriebsarten bei denen die Steuerrung Vorrang hat.

Beim starten des Dieselmotors, sofern obig im Text unterstrichene Umschaltung erfolgt ist, versorgt eine hydraulische Hilfspumpe die Öffnungszylinder der BB und dies ohne, dass irgend ein weiterer Handeingriff oder irgendeine Freigabe von der Steuerung erforderlich ist. D.h. die BB öffnet automatisch nachdem der Dieslmotor gestartet wurde.

Die BB bleibt dann offen bis sie mittels Handventil-Umschaltung am Bremshydraulikaggegrat wieder geschlossen wird, oder, falls Dieselmotor gestoppt wird, bis Offenthaltedruck der BB infolge Leckagen genügend abfällt, was vermutlich Stunden oder gar Tage dauern kann.
Bei normalem Betrieb des Notantriebs (d.h. via Steuerung ab Kommandopult) wird die SB automatisch geöffnet und geschlossen, kann jedoch jederzeit notfalls auch mittels Pilztaster geschlossen werden.
Gewisse wichtige Überwachungen sind ausser bei Überbückungen auch während dem Bergebetrieb aktiv (CEN EN Normen schreiben deren Mindestumfang vor).

Nach Umschaltung auf Notantrieb ist die BB nicht mehr elektrisch bedienbar (egal ab welcher Bedienstelle) und bleibt während der Bergebetrieb permanent offen und kann wie aufgeführt ausschliesslich durch Umstellen der Handventile direkt am Bremshydraulikaggregat wieder geschlossen werden.

Dies entspricht bis auf ein paar Einzelheiten auch gewissen anderen Bahntypen, die ich etwas besser kenne.

CEN Bremsphilosophie ist im besprochen Gondelbahn Beispiel wie folgt (gehe davon aus, dass dies die angegebenen zulässigen Wertbereiche gem. CEN sind, innerhalb dieser Bereiche wird dann Bahnspezifisch eingestellt):
A) Anhalten (elektrisch Anhalten): Ca. 0.40 m/s2;
B) Nothalt elektrisch (Verzögerung geregelt durch Hauptantrieb): 0.50 - 1.20 m/s2;
C) Nothalt Betriebsbremse (Verzögerung geregelt durch hydraulische Offenhaltedruckmodulierung): 0.30 - 1.25 m/s2;
D) Nothalt Sicherheitsbremse (Verzögerung ungeregelt): 0.30 - 2.50 m/s2;
E) Nothalt Kombibremsung (Betriebsbremse + Sicherheitsbremse): 0.50 - 2.50 m/s2.

Bei ansprechen der Verzögerungsüberwachung:
1) Verzögerung A) ungenügend: Umschaltung auf C);
2) Verzögerung B) ungenügend: Umschaltung auf E) mit SB Regulierung;
3) Verzögerung C) ungenügend: Umschaltung auf E) mit SB Regulierung;
4) Verzögerung D) ungenügend: Umschaltung auf E) ohne SB Regulierung (sog. BB Schnellschluss durch Entstromung des Schnellschluss-Ruhestromventils, Ventil entlastet bedingungslos Offenhaltedruckleitung der BB in den Hydrauliköltank); bei BB Schnellschluss findet keine Regulierung statt und irgendwelche etwaige Fehlfunktion des Druckregelventils ist ohne Einfluss auf Schnellschluss der BB).

Zu beachten, ist dass bei Kombibremsung mit funktionstüchtiger Regelung der BB, die BB gar nicht bremsen muss sofern die SB ausreichend verzögert.
Bei regulierter BB-Bremsung wird auf Verzögerungssollwert (Vorgabewert, der in der Steuerung hinterlegt ist, entspricht rechnerisch einer Seilverzögerung in m/s2, genau betrachtet einer negativen Beschleunigung bei positiv gezähltem Weg in vorgegebener Fahrrichtung) geregelt, wird die durch die Steuerung vorgeschriebene Bremswirkung andersweitig erreicht, muss die geregelte BB gar nicht bremsen (z.B. bei genügender natürlicher Verzögerung durch Reibung und Hangabtrieb oder bei genügender Wirkung eines anderen Verzögerungssystems).

IIRC wird bei Doppelmayr der Hauptantrieb sofort freigeschaltet wenn BB und/oder SB einfallen. Bei gewissen Herstellern wird stets elektrisch gebremst und die geregelte BB wirkt nur für den zusätzlich erforderlichen Anteil, um die vorgegebene Verzögerung zu erreichen, dies reduziert die Abnützung der BB-Bremsbeläge, Bremsung durch elektrishcen Antrieb muss allerdings zuverässig überwacht werden, damit bei antriebsdrehmomentaufbringendem Antriebsfehler die BB nicht "gegen" den Hauptantrieb arbeiten muss.
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Petz »

Lagorce hat geschrieben: [
Kann die Bremsung nicht 100 %-ig bestätigen, anhanden der Verzögerung betrachte ich dennoch als wahrscheinlich, dass irgendeine mechanische Bremsung (SB oder BB, oder beide zusammen?) den Rollback beendete.
Ich bin aufgrund diverser Videos der Überzeugung das keine der Bremsen zum Stillstand des Liftes führte sondern dieser nur durch jene Sesselklemmen gebremst wurde die auf die verkeilten FBM´s aufliefen aber deren Klemmen nicht vom Seil gerissen wurden. Auf jenem Video das von einem auf die Talstation zufahrenden Schifahrer gefilmt wurde hört man ab dem Beginn der Sesselanhäufung das typische Geräusch das ein Seil erzeugt wenn es kräftig an fixen Metallteilen schleift und die Bremswirkung verstärkt sich mit jedem zusätzlich auflaufenden FBM.
Auch ist kein Indiz dafür zu sehen (Bremsbackenrauchentwicklung an Antriebsumlenkscheibe oder dem Getriebebereich) das die SB oder BB noch zum Einsatz kam.
Desweiteren zeigt ein Video eines Passagiers der sich weit oben auf einem der Sessel befand und in Richtung Tal den Rollback filmte deutlich, daß die Anlage so sanft zum Stillstand kam das es auf der Strecke dabei nicht zu vertikalen Seilbewegungen sowie zu fast keinen Längspendelbewegungen der Sessel kam; ein weiteres Indiz für die reine Klemmenbremstheorie.

Auch bin ich der Überzeugung das kein technischer Hauptantriebsschaden vorlag sondern dieser beim Rollback komplett mitlief und durch seinen mechanischen Eigenwiderstand noch verhinderte das der Lift eine ansonsten sicher noch viel höhere Geschwindigkeit erreicht die zu viel umfangreicheren, schweren und teilweise tödlichen Personenschäden geführt hätte als dies tatsächlich geschah.
Aufgrund des angesichts der theoretischen Möglichkeiten sehr glimpflichen Ausgangs waren meiner Meinung nach da alle georgischen Schutzengel vor Ort.
Petz setzt seine Aktivitäten mit Ende Juni 2020 stark zurück. Ich bleibe aber bis auf weiteres in Ausnahmefällen und per PN für Fragen, Hilfe beim Modellbau etc. noch aktiv.
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Lagorce »

Dazu kann ich mich nach wie vor nicht definitiv äussern. Muss nochmals die Videos genau ansehen, verfüge jedoch nicht um die notwendige Software, um Frames genau zu analysieren. Weiss auch nicht, ob YouTube die Framerates richtig wiedergibt

Könnte jemand die Verzögerung am Ende nachrechnen? Das sollte man am besten mit einer Software machen, in der man Frame um Frame vergleichen und auch den Seilweg besser einschätzen kann.
Damit könnte man die Beschleunigung sowie die Verzögerung in etwa einschätzen.
Habe noch gesehen, dass Schaltkasten aussen beim Kommandoraum offen war.
Geräusch kann ich nicht genau beurteilen, würde zwar ehen davon ausgehen, dass Getriebe (oder zumindest dessen Endstufe mitdrehte). Spektrumanalyse könnte vielleicht weiterhelfen, Audioqualität ist jedoch nicht so gut und dann müsste man evtl. zuerst noch parametrisch filtern.

Ideal wären noch Daten (Rollenbatterientypen und Rollen-Auflagekräfte) der jeweiligen Stützen. Karten und Luftaufnahmen mit der Online-Funktion für die Erstellung des Langsprofils des Geländes gibt's vermutlich nicht für Georgien (weiss nicht, ob man's mit Google Maps machen kann).

Könnte mal nachrechnen, würde es zwar bevorziehen gewisse Diskussionen in einem Forum-Member-Only Bereich zu führen. Betrifft auch z.T. andere technische Diskussionen.

Wenn man diverse Videos, auch vor dem Zwischenfall aufgenommen, auswerten würde, könnte man die Rechnungsgrundlagen etwas verfeinern. Antriebs- und Bremsberechnungen für eine CLF Bahn sind nicht so komplex sofern man über die notwendigen Grunddaten verfügt.

Abspannung und Seilgewicht kann man in etwa abschätzen.

Bei der Gondelbahn (mit 100 % Talförderung), die ich als Beispiel aufführte, sind die Verzögerungen vor- sowie rückwärts bei der SB sowie bei der BB allesamt identisch (0.5 m/s2) und Kombibremsung (BB Schnellschluss + SB) gefährdet weder Benutzer noch Bahn.

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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Xtream »

das einzige was man dem hersteller vorwerfen kann ist diese blöde schiene wo der sessel hängen geblieben ist! denke mal die braucht es wohl weil der lift auch talbeförderung hat.....

in verbindung mit automatischem veriegeltem schliessbügel wäre das echt ein horror geworden!

da sollte man sich mal gedanken machen ob der schliessbügel wirklich verriegelt werden muss und ob man die schiene nicht anders konstruiert das ein sessel da eben nicht mehr hängen bleiben kann! natürlich alles auf fixgeklemmte anlagen bezogen!!!
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von markus »

Fliehkraftpendel wären die einfache und sichere Lösung in so einem Fall.
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Chrisroba »

Lagorce hat geschrieben: 26.03.2018 - 20:54 Die Steuerung der BB und SB erfolgt während dem normalen Betrieb automatisch durch die elektrische Steuerung.
I.d.R. wird jedoch eine Seilbahn möglichst immer elektrisch angehalten, d.h. über die Bremswirkung des Hauptantriebs. Je nach Bremsenmanagement wird unmittelbar nach des Stillstand oder kurz davor die BB (ggf. in diesem Falle ungeregelt) geschlossen. Je nach Bahn kann dann zusätzlich die SB einfallen, bei gewissen Bahnen bleibt die SB in Normalfall stets offen.
Die BB schliesst normalerweise bei erreichen der "Fahrgeschwindigkeit - 0". Bei Doppelmayr 0,3-0,2 m/s und Leitner max. 0,15 m/s. In diesem Moment wird auch der Antrieb weggeschaltet. Die Betriebsbremsen schließen alle per schnellschluss. Man will ja erreichen das die BB vollständig geschlossen ist BEVOR die Bahn auch nur annähernd in einen Bereich kommt wo sie Rücklaufen "könnte".
Lagorce hat geschrieben: 26.03.2018 - 20:54
BB ist oft geregelt (manchmal auch nur abgestuft). Bei geregelter BB ist die Verzögerung etwa konstant und lastfallunabhängig, demzufolge ist eine weitaus schonendere Abbremsung möglich.
Oder Gestaffelt ;) Stimmt aber, geregelte BB fühlt sich an wie ein greifendes ABS beim Auto beim Bremsen :D
Lagorce hat geschrieben: 26.03.2018 - 20:54
Geregelte SB sind nicht sehr gängig. Bei gewissen Bahnen wird Antrieb nicht freigeschaltet (sofern elektrischen Bremsen Bremsmoment aufbauen vermag), in den meisten Fällen wird jedoch Antrieb sofort Drehmomentlos geschaltet sobald BB oder SB nicht beide vollständig gelüftet sind (in beiden Fällen schliesst die entsprechende Bremse infolge der Offenhaltefehlfunktion).
Die Bahn fährt an ;) Offene Bremsen sind weder eine Anwurf noch eine Abfahrtsbedingung ! Der Motor baut auch Drehmoment auf, jedoch müssen nach spätestens 2-3 sek. nach Erfolgen des "Abfahrbefehls" beide Bremsen geöffnet haben. Sollte das nicht passieren gibts wie du sagst die "Betriebs- oder Sicherheitsbremsenüberwachung".
Lagorce hat geschrieben: 26.03.2018 - 20:54
Das Schliessen und Lüften der BB und der SB erfolgt während Normalbetrieb vollautomatisch durch die Steuerung. Bedienpersonal erteilt bei modernen Seilbahnen Fahr- bzw. Startbefehl und ggf. Geschwindigkeitsmaximalwert und danach fährt die Bahn vollautomatisch an.
Normalerweise wird elektrisch angehalten. BB und/oder ggf. SB schliessen automatisch unter gewissen Voraussetzungen, insbes. bei diversen Störungen.
Welche Störungen zur welchem Anhaltvorgang führen bestimmt der Seilbahnhersteller aufgrund von Risikoanalysen und Vorschriften sowie Normen.
Die meisten Störungen führen zum Einfall der BB, bei gewissen Fehlern schliesst die SB.
BB und SB können auch von Hand via Steuerung geschlossen werden.
Bei Leitnerbahnen muss die Sicherheitsbremse nach einem Einfall "manuell" per Knopfdruck gelüftet werden (Lüftet und schließt 2-3 mal und bleibt dann offen). Ka warum aber Leitner verfolgt da seine eigene Philosophie :D
Lagorce hat geschrieben: 26.03.2018 - 20:54
Z.B. bei gewissen Seilbahnen wird bei ungenügender Verzögerung (=Abbremsung) der BB diese sofort wieder vollständig geöffnet und dabei fällt die SB ein, zusätzlich wird nach einem sicherheitsorientiert gehandhabten Timeout die BB unbedingt wieder geschlossen. Bei anderen Bahnen ist eine Kombibremsung BB + SB zulässig, usw.
8O 8O 8O Also das würde ich mal nicht unterschreiben. Wenn eine Bremse zu ist dann bleibt sie zu ! Kenne keine einzige Bahn welche eine Bremse unter dem Bremsvorgang nochmals lüftet ! Vor allem nicht wenn eine ungenügende Verzögerung vorliegt (auch keine Regelbremse ! Reicht die Verzögerung nicht dann ist sie eh schon auf maximaler Bremskraft bei Regelung !).
Lagorce hat geschrieben: 27.03.2018 - 01:42
Direct Drive (Direktantrieb) bedingt hier, dass BB (Betriebsbremse) und SB (Sicherheitsbremse) beide auf die Antriebsscheibe wirken, da ja kein Getriebe vorhanden ist (auch bei den "unechten" Direct Drives mit langsamlaufendem permanentmagneterregtem Synchronmotor und Planetengetriebe in der Seilscheibennabe ist glaub kaum eine andere BB Anordnung möglich als direktwirkend auf die Seilscheibe).
Ich denke mal du meinst hier den DSD von Doppelmayr. Der hat die BB´s aber auf Seiten der Motorwelle ;) und das Planetengetriebe ist normal aufgesetzt wie bei jeder anderen Bahn auch, verfügt jedoch nicht über 3 Stufen sondern nur maximal 2. Die Übersetzung ist maximal so im Bereich 30-40.
Lagorce hat geschrieben: 27.03.2018 - 01:42
Ist die SB Pumpe eine Unterölpumpe bei der die Wicklungen direkt im Öl liegen (ohne eigentliches Statorgehäuse), wie dies bei gewissen Hebebühnen und Aufzüge der Fall ist? Oder ist es ein normaler Motor der im Tank, jedoch oberhalb des max. Ölniveaus plaziert ist?

Unklar ist Motortyp, nach schema AC, nach Stückliste und Drehzahlangaben eher DC... (DC = Direct Current = Gleichstrom), möglicherweise 24 V DC? Wäre irgendwie auch sinnvoll für die Bergung mit Hydrostat. Anscheinend wird bei dieser Bahn weder die BB noch die SB von von einer Hilfspumpe am Diesehmotor gespiesen.
Macht man wie du sagst eher bei Pendelbahnen mit nem wirklichen "Notstrom-generator". Ist nen AC Motor. Konstantpumpe (Zahnradpumpe). Der Motor ist meist auf dem Tank plaziert und saugt über eine Leitung an und liegt nicht im ÖL. Sowohl bei Doppelmayr als auch bei Leitner. (Die Motoren bei den Bremsaggregaten sind ziemlich klein ;) Braucht man ja auch nicht viel Fördervolumen da die Lüftwege sehr klein sind und der Druck aus dem Druckspeicher zur verfügung gestellt wird. Kann man mal testen in dem man die SB schließt, per Anwurf öffnet, wieder schließt und wieder öffnet. Nach 4-5 Mal dauert es dann ziemlich lange bis die Bremse öffnet da der Druckspeicher nahezu leer ist und die Pumpe länger braucht um Druck im System aufzubauen.
Lagorce hat geschrieben: 27.03.2018 - 01:42 und die beiden Ruhestromventile (Pos. 16/1 und 16/2) dienen als Tankableitung ohne Blockierung einer Weiterleitung des Drucks. Über letzteres kann man sicherheitstechnisch streiten, IMO ist die Leitner-Lösung sicher, einfach und zuverlässig
Jop, tut DM auch :P :D
Lagorce hat geschrieben: 27.03.2018 - 01:42 Im Gegensatz zu Asynchronmotoren könnte bei einem Rollback mit permanentmagneterregtem Synchronmotor die Klemmenspannung bei Überdehzahl gefährlich ansteigen und ggf. den FU beschädigen (sofern nicht galvanisch getrennt wird).
Der Motorschütz fällt immer ab wenn der Motor weggeschalten wird, egal durch was ;)
Lagorce hat geschrieben: 27.03.2018 - 01:42 Über Hydraulik-Handventil im Kommandoraum, usw. kann man geteilter Meinung sein.
Wie gesagt, bevor die Leitung dahin schmilzt dauert es dann doch etwas ;) :D Außerdem darf der Brand von einem Brandabschnitt (Kommandoraum) eigentlich nie in einen Brandabschnitt mit "Seilführungsbereich" übergreifen.


Nochmal was zum einwerfen ;) es gibt auch grade bei Doppelmayr Anlagen CLF viele Bahnen welche den Notantrieb per Keilriemen auf die Motorwelle wirkend haben :D Sprich hydrostat und dann übertragung per Riemen auf die Motorwelle. Sollte man vergessen die Riemen aufzulegen passiert das selbe wie wenn man das Ritzel nicht einschwenkt.
Lagorce hat geschrieben: 28.03.2018 - 00:19
Ob Motor effektiv mitlief oder nicht kann man m.E. nicht aufgrund der Geräusche feststellen.
Geräusche kann ich nicht genau interpretieren, einerseits hat man den Eindruck, dass das Getriebe mitläuft, könnte jedoch auch täuschen falls Lärm vom Spannhydraulikaggregat im Steher stammt, weiss jedoch nicht, ob dieses soviel Lärm generiert (und blaue Abdeckung am Steher ist geschlossen auch wenn kaum schalldämmend).
Das Spannaggregat erzeugt nicht so einen Lärmpegel. Zumindest nicht bei einem CLF. Und das Geräusch müsste dann auch konstant sein :D
Lagorce hat geschrieben: 30.03.2018 - 19:03 CEN Bremsphilosophie ist im besprochen Gondelbahn Beispiel wie folgt (gehe davon aus, dass dies die angegebenen zulässigen Wertbereiche gem. CEN sind, innerhalb dieser Bereiche wird dann Bahnspezifisch eingestellt):
A) Anhalten (elektrisch Anhalten): Ca. 0.40 m/s2;
B) Nothalt elektrisch (Verzögerung geregelt durch Hauptantrieb): 0.50 - 1.20 m/s2;
C) Nothalt Betriebsbremse (Verzögerung geregelt durch hydraulische Offenhaltedruckmodulierung): 0.30 - 1.25 m/s2;
D) Nothalt Sicherheitsbremse (Verzögerung ungeregelt): 0.30 - 2.50 m/s2;
E) Nothalt Kombibremsung (Betriebsbremse + Sicherheitsbremse): 0.50 - 2.50 m/s2.
Nothalt Sicherheitsbremse maximal 1,25 m/s²
Mindestverzögerung ist 0,5 m/s² bei Bahnen mit nicht fix geklemmten Fahrzeugen ! (Bei allen Abschaltungen außer Halt)
Bei fixgeklemmten Bahnen bremst man ein wenig sanfter aber nicht viel :D
BB kann auch gestuft oder gestaffelt sein.
Lagorce hat geschrieben: 30.03.2018 - 19:03 IIRC wird bei Doppelmayr der Hauptantrieb sofort freigeschaltet wenn BB und/oder SB einfallen. Bei gewissen Herstellern wird stets elektrisch gebremst und die geregelte BB wirkt nur für den zusätzlich erforderlichen Anteil, um die vorgegebene Verzögerung zu erreichen, dies reduziert die Abnützung der BB-Bremsbeläge, Bremsung durch elektrishcen Antrieb muss allerdings zuverässig überwacht werden, damit bei antriebsdrehmomentaufbringendem Antriebsfehler die BB nicht "gegen" den Hauptantrieb arbeiten muss.
Ok also unterstützend ? Kenne ich ehrlich gesagt nicht weder bei Doppelmayr noch bei Leitner. Ausnahmlos ALLE (bis auf eine) Abschaltungen im NH-BB Kreis sind die Folge eines Fehler´s am Antrieb und seinen Komponenten ;) Zumal was für Bremsmomente erreicht man da denn bitte ? Eine Bahn wird ja so ausgelegt, dass selbst im schlechtesten Lastfall eine Nothalt Abschaltung allein über den Antrieb erfolgen kann. Dabei erreicht man ja mal leicht so den bis 140% DrM Bereich :D

Aber echt cool das es ein paar Leute gibt die sich Auskennen hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet :D

Danke Lagorce da für deine Korrekten Ausführungen !

Beste Grüße

Chris

PS: Doppelmayr darf sich zu dem Vorfall nicht offiziell äußern !
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Lagorce »

[Antworten auf PN folgen.]
markus hat geschrieben: 01.04.2018 - 18:03 Fliehkraftpendel wären die einfache und sichere Lösung in so einem Fall.
Na ja, kann gewisse verminderte Anforderungen der EN für sog. CEN Seilbahnen auch nicht nachvollziehen, habe mich zu diversen Details bereits ausführlich geäussert.

Nochmals das Zitat von hier:
viewtopic.php?f=39&t=25185&p=4632951#p4632951

Bereits August 2009 genauer am 2009-08-16/14:03 schrieb ich bereits:
M.E. sind zum Glück Seilbahnunfälle zu selten um wirklich für die spezifische Sicherheitstechnik sinnvoll auswertbare statistische Daten zu ermöglichen. Demzufolge wäre es vielleicht doch sinnvoller nicht auf seit langem bewährte Systeme wie Fangbremsen oder Zentrifugalauslöser zu verzichten.

Irgendwie ist es zudem auch logisch, eine letzte Übergeschwindigkeitschutzvorrichtung die nicht elektrisch ist beizubehalten. Man bedenke, dass es mindestens einen Common-Cause-Fehler gab (war glaub ich Blitzschlag), bei dem die Steuerung sowohl die Betriebs- wie auch die Sicherheitsbremse offen liess. In diesem Fall verhinderte die Betätigung der Fangbremse einen Unfall.
Übrigens, die abgebildete (viewtopic.php?f=39&t=43563&start=50#p5138279) und ausführlich beschriebene rein mechanische und steuerungstechnisch nicht überbrückbare Übergeschwindigkeitsauslösung für Pendelbahnen ursprünglich auf das Von Roll Transportsysteme System basierend, wurde von Garaventa/Doppelmayr noch bei der 78-ATW Marquam Hill in Portland, OR, USA (2007) eingesetzt. Die erwähnten Zentrifugalauslöser können auch bei liegenden Seilscheiben eingesetzt werden.
Fehlbedienungen am Bremshydraulikaggregat sowie Fehlfunktionen des Bremshydraulikaggregats haben keinen Einfluss auf die Funktionstüchtigkeit der Zentrifugalauslösung der Sicherheitsbremse.
Lagorce
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Lagorce »

Antworten, auch PN, folgen.

Hier hab ich noch was gefunden, Reportage über die Doppelmayr ChairDrive 4-CLF Les Tremplins (FR):
https://www.remontees-mecaniques.net/bd ... -2103.html

Insbes. Bild hier, Einheit mit Dieselmotor und Bremshydraulikaggregat im Nebenraum, übliche Anordnung für die ChairDrive (Modellbezeichnung von Doppelmayr) Ausführung:
http://www.remontees-mecaniques.net/bdd ... 274dl5.jpg
(falls Link nicht funktioniert, Reportage Link oben folgen).

Würde meinen, dass man unterhalb des Gehörschutzes den roten Hebel des Handventils zur Auslösung der Sicherheitsbremse (SB) erraten kann. (?????)
Über die brennbare Holzverkleidung im Hintergrund äussere ich mich nicht.

Fotos, die die Anordnung eine Handauslöseventils der SB im Kommandoraum oder draussen in dessen Nähe zeigen, konnte ich bislang nirgends finden.

Im Steher befindet sich lediglich das Spannhydraulikaggregat, ist auch so im online Kurzbeschrieb von Eischoll aufgeführt (Nebenraum mit Diesel für Notantrieb + Bremshydraulikaggregat und Leistungsteil der Schaltanlage ist übrigens dort etwa 3x4 m gross, Link habe ich irgendwo oben bereits aufgeführt).

BTW Meine Rollbackbeschleunigungsberechnung mit 0.4 m/s2 war ziemlich falsch, hab's nochmals etwas seriöser nachgerechnet. Ausser bei Auskupplung der Antriebsscheibe (hab's jedoch nicht nachgerechnet) ist die Rollback-Beschleunigung wesentlich geringer à 0.4 m/s2. Insbes. Antrieb spielt eine wesentliche Rolle für die auf das Förderseil für Berechnungen "reduzierte Masse" (Trägheit der Anlage zum Zeitpunkt des Begins des Rollbacks; während dem Rollback nimmt die Trägheit geringfügig ab, die Reibung nimmt jedoch stark zu da die Verringerung der belastungsbezogenen Reibung weitaus kleiner als die zusätzliche Reibung durch die blockierten Klemmen ausfällt).

Nach Betrachten der Videos konvertiert in Einzelbildsequenzen (zwischen 24 und 30 Frames pro Sekunde, entspricht ein paar zehn tausend JPEGs für die relevantesten Videos) sieht man viel besser was passiert und kann auch genauer Timings beurteilen. Habe mich möglicherweise bzgl. Einsatz der SB geirrt, muss mir das Ganze aber noch sehr genau anschauen.
Am Ende bremsen mindestens 3 nicht verkeilte Klemmen das Förderseil ab, was quasi-statisch überschlagsmässig so etwa 3000 daN Durchrutschkraft entsprechen würde.
Wäre interessant einen Bericht als Trockübung zu erstellen, würde Einschätzungen und Berechnungen jedoch nur in einem für Forum-User reservierten Unterforum teilen dessen Inhalt auch nicht von Suchmaschinen indexiert wird.
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von DerNiederbayer »

Der georgische Wirtschaftsminister und Doppelmayr haben vereinbart, dass alle in Georgien installierten DM-Anlagen überprüft und die Lift-Mitarbeiter nochmal geschult werden: https://www.skigeorgia.ge/doppelmayr-ex ... r-resorts/.
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Lagorce »

Die BB schliesst normalerweise bei erreichen der "Fahrgeschwindigkeit - 0". Bei Doppelmayr 0,3-0,2 m/s und Leitner max. 0,15 m/s. In diesem Moment wird auch der Antrieb weggeschaltet. Die Betriebsbremsen schließen alle per schnellschluss. Man will ja erreichen das die BB vollständig geschlossen ist BEVOR die Bahn auch nur annähernd in einen Bereich kommt wo sie Rücklaufen "könnte".
Wie bereits erwähnt, sind sehr viel verschiedene Bremsphilosophien im Einsatz, insbes. für pre-CEN Bahnen.
Auch zwischen Bahngrundtypen und Bahn-Generation eines gleichen Herstellers kann's Unterschiede geben.
Wie aufgeführt, es gibt Bahnen bei denen die SB nicht unbedingt nach dem Anhalten schliesst. Fällt die SB nach Stillstand automatisch ein, ist i.d.R. eine kurze Verzögerung vorprogrammiert, damit SB erst schliesst wenn BB bereits geschlossen ist.
Für Regelung benötigt man ein Druckservoventil (hier als echtes Servoventil mit Prallplatte, früher wurden in CH oft Selec Servoventile in Hagenbuch Bremshydraulikaggregate eingesetzt, dann auch noch in Rexroth Aggregate obwohl Rexroth selbst Servoventile herstellt) oder ein hochleistungs Proportionaldruckventil (z.B. Wandfluh) (zumindest bei hydraulisch gelüfteteten Bremsen, Servopneumatik ist m.E. für eine BB etwas murksig, für Servoanwendungen ist Pneumatik bereits aus rein physikalischen Günden ohnehin nur bedingt anwendbar; gewisse Hersteller setzen ebenfalls geregelte elektromagnetische Betriebsbremsen (Hubmagnet zum lüften) ein).
Abgestufte BB kenn ich ungenügend, in CH sind die meisten BB soviel ich weiss geregelt (beziehe mich zwar eher auf nicht antike Pendelbahnen, die ich etwas besser kennen als Umlaufbahnen; insbes. bei älteren Bahnen findet man auch noch exotische Lösungen).

Die Bahn fährt an ;) Offene Bremsen sind weder eine Anwurf noch eine Abfahrtsbedingung ! Der Motor baut auch Drehmoment auf, jedoch müssen nach spätestens 2-3 sek. nach Erfolgen des "Abfahrbefehls" beide Bremsen geöffnet haben. Sollte das nicht passieren gibts wie du sagst die "Betriebs- oder Sicherheitsbremsenüberwachung".
FU oder Stromrichter regeln bei Seilbahnen auf Sollwertdrehzal .
Bei Master-Slave Konfigurationen (Doppelantriebe oder, seltener zwei Motoren mit gekoppelten Wellen) erhält Master (Leitantrieb) Geschwindigkeitssollwert (hier Drehzahlsollwert) von der Steuerung und Slave (Folgeantrieb) regelt für Drehmomentaufteilung (meist 50 %/50 %), Master/Slave-Funktion wird von der Steuerelektronik der INU (Inverter Unit) motorseitigen Inverter, also Leistungsteil des FU, der aus DC (Gleischstrom) vom Zwischenkreis Drehstrom mit variabler Frequenz erzeugt) bzw. der Stromrichter gehandhabt. Master und Slave Kontrolleinheiten kommunizieren dabei miteinander (bei modernen FU ist digital, z.B. via Lichtwellenleiter, vorteilhaft).
Sinngemässes gilt auch für mehr als 2 Motoren, in FR gibt's glaub vereinzelt Doppelantriebe mit je 2 DC Motoren, wobei in Frankreich oft nicht so grosse DC Motoren eingesetzt werden (2 kleinere anstelle von 1 grösseren) und FU fanden onehin viel später Einzug als in CH, AT, DE, usw.

FU oder Stromrichter baut Drehmoment im Stillstand auf (programmierte Vormagnetisierung bei FU) so dass auf Drehzahl geregelt werden kann. Im Stillstand bei Antrieb mit Getriebe kann man ggf. eine kleine Ausregeglungs-Drehbewegung (ein paar Winkel-Grad evtl. kurz hin und her) von Auge feststellen, nach Untersetzung kaum mehr an Antriebsscheibe sichtbar.
Je nach Ausführung wird SB geöffnet, Motor magnetisiert und dann wird BB geöffnet. Um ein unnötiges erwärmen des Motors im Stillstand zu verhindern wird unverzüglich angefahren.

Bei Leitnerbahnen muss die Sicherheitsbremse nach einem Einfall "manuell" per Knopfdruck gelüftet werden (Lüftet und schließt 2-3 mal und bleibt dann offen). Ka warum aber Leitner verfolgt da seine eigene Philosophie :D
Wie erwähnt gibt's diverse Bremsphilosophien.
Kenne PB (Pendelbahnen, ATW, Aerial Tramway) bei denen die SB nur nach Beendigung des Einziehens (Einfahren der Kabine, die zuletzt ihre Endstellung erreicht während dem die andere Kabine bereits ihre Endstellung erreicht hat) automatisch schliesst jedoch bei Halt auf der Strecke offen bleibt. Bei anderen Bahnen schliesst die SB stets nach der BB, usw.
PB bei denen man die SB von der Kabine via FUA/FWA (Fernüberwachungsanlage/Fernwirkanlage, meist mittels kontaktlos induktiv gekoppelter Übertragung über Zugseil, vereinzelt via Funkstrecke) auslösen kann, jedoch nicht mehr von der Kabine aus Lüften gibt es ebenfalls...

Z.B. bei gewissen Seilbahnen wird bei ungenügender Verzögerung (=Abbremsung) der BB diese sofort wieder vollständig geöffnet und dabei fällt die SB ein, zusätzlich wird nach einem sicherheitsorientiert gehandhabten Timeout die BB unbedingt wieder geschlossen. Bei anderen Bahnen ist eine Kombibremsung BB + SB zulässig, usw.
8O 8O 8O Also das würde ich mal nicht unterschreiben. Wenn eine Bremse zu ist dann bleibt sie zu ! Kenne keine einzige Bahn welche eine Bremse unter dem Bremsvorgang nochmals lüftet ! Vor allem nicht wenn eine ungenügende Verzögerung vorliegt (auch keine Regelbremse ! Reicht die Verzögerung nicht dann ist sie eh schon auf maximaler Bremskraft bei Regelung !).
Bin zwar nicht Seilbahnexperte, versuche dennoch nicht allzuviele technisch falsche Infos zu posten.

Das automatische Wiederöffnen der BB bei Fehlfunktion der BB (z.B. Verzögerungsüberwachung, also hier ungenügende Verzögerung der Förder- oder Zugseilgeschwindigkeit in m/s2) ist bei zahlreichen CH Bahnen standard. Ob die BB dann effektiv wieder mechanisch öffnet oder nicht sei dahingestellt, jedenfalls gibt die Steuerung die Ventilansteuerungsbefehle (Schliessen des Schnellschluss-Ruhestromventils der BB und Maximal-Analogsollwert für den Lüftdruck der BB damit BB sofort wieder voll öffnet) zum vollständigen Wiederöffnen der BB aus, dies um eine unzulässige Kombibremsung zu verhindern da beim Ansprechen der Verzögerunsüberwachung in diesem Beispiel die SB geschlossen wird.
Diese Aussagen habe ich nicht irgendwie aus der Luft gegriffen und gelten für gewisse PB wie auch gewisse Gondelbahnen, gewisse Sessellbahnen, usw. bei denen eine Kombibremsung (SB+BB Schnellschluss gleichzeitig) mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden muss.

Moderne Bremsphilosophien tendieren eher zu schwächer eingestellten Bremsen wobei man eine Kombibremsung (inkl. mit Schnellschluss BB) als nicht gefahrenbringend einstuft.

Persönlich würde ich geregelte BB zusammen mit geregelter SB und beide mit jeweils 2 Ruhestrom-Schnellschlussventile bevorziehen, da dies die Wahrscheinlichkeit einer gefährlichen Kombibremsung wesentlich verringert und zudem höhere Verzögerungen erlaubt.
Zudem würde ich Fehlerfallbezogene Verzögerungssollwerte einsetzen, z.B. bei PB (Pendelbahnen) und SSB (Standseilbahnen) ggf. unter Berücksichtigung von Kopierwerkspositionsdaten wobei Kopierwerke etwas anders als üblich ausgeführt werden sollten (Kopierwerke ermitteln die Position der Fahrzeuge bei Seilbahnen mit Pendelfahrten, bei modernen Steuerungen wird deren Funktionalitäten durch Sicherheits-SPS (SIL 3) gehandhabt, meist von Pilz oder Siemens).

Ich denke mal du meinst hier den DSD von Doppelmayr. Der hat die BB´s aber auf Seiten der Motorwelle ;) und das Planetengetriebe ist normal aufgesetzt wie bei jeder anderen Bahn auch, verfügt jedoch nicht über 3 Stufen sondern nur maximal 2. Die Übersetzung ist maximal so im Bereich 30-40.
Langsamlaufende Permanentmagnet-Synchronmotoren bei Seilbahnen kenn ich zuwenig, die sind sehr selten in CH. Diese Art Motoren werden zwar oft bei Aufzugsanlagen eingesetzt, inkl. für "echte" (d.h. ausserhalb CH) Hochhäuser.
Kleinere PM-Synchronmotoren sind seit langem üblich, insbes. als Servoantriebe.
Direct-Drive FU Parametrierung ist m.E. heikler, da Regelungsfehler eher bemerkbar sind. Bei 4-poligen Asychronmotoren fährt man etwa bei 1500 U/mn und hat noch Schwungrad/Kupplung sowie das Getriebe.

Genaue Aufürung von diesen PM-Antriebe müsste ich zuerst näher anschauen. Dachte, dass nur noch ein Naben-Planetegetriebe vorhanden wäre, hab's jedoch nie überprüft da ich selbst auch keine Direct Drive Bahn kenne.

Macht man wie du sagst eher bei Pendelbahnen mit nem wirklichen "Notstrom-generator". Ist nen AC Motor. Konstantpumpe (Zahnradpumpe). Der Motor ist meist auf dem Tank plaziert und saugt über eine Leitung an und liegt nicht im ÖL. Sowohl bei Doppelmayr als auch bei Leitner. (Die Motoren bei den Bremsaggregaten sind ziemlich klein ;) Braucht man ja auch nicht viel Fördervolumen da die Lüftwege sehr klein sind und der Druck aus dem Druckspeicher zur verfügung gestellt wird. Kann man mal testen in dem man die SB schließt, per Anwurf öffnet, wieder schließt und wieder öffnet. Nach 4-5 Mal dauert es dann ziemlich lange bis die Bremse öffnet da der Druckspeicher nahezu leer ist und die Pumpe länger braucht um Druck im System aufzubauen.
Hydraulikschema der Leitner-Bahn zeigt eine im Tank selbst angeordnete Motor-Pumpe-Kombination. Ist beides oder nur Motor ausserhalb des Tanks wäre die richtige Darstellung auf dem Schema anders.

Über synchrone Drehstrom-Hilfsgeneratoren kann man geteilter Meinung sein. Im Beispiel, das ich anderwo dokumentierte sind jedoch zwei Dieselmotoren mit je einem 20 kVA 3x400 V 50 Hz Synchronhilfsgenerator vorhanden und zudem noch ein Gebäude-Ersatzstromaggregat und dann hat jede Sektion noch eine komplett unabhängige diesel-hydrostatische Rettungsbahn mit jeweils eigenem Dieselmotor. Bis man dort gar nicht mehr bergen kann muss einiges schief laufen (ausser Wind).
Die Zugspitze hat übrigens zwei 1250 kVA 400 V 50 Hz Ersatzstromaggregate (mtu Motoren mit Leroy Somer Synchrongeneratoren) und noch ein 250 kW wie ein 280 kW E-Motor für die Bergung. Ferner sind ABB ACS880 FU mit Bremschoppern versehen (tippe auf R8i-basierte 3-phasige Chopper), da bei Notstromaggregatbetrieb nur beschränkt elektrisch gebremst werden kann und zudem muss der Rückleistungsschutz entsprechend parametriert sein).
Beide Hauptgetriebe sind dort übrigens von SEW mit Kupplungen von KTR, nicht mehr von Flender (Siemens).

Der Motorschütz fällt immer ab wenn der Motor weggeschalten wird, egal durch was ;)
Bei modernen FU mit SIL 3 Freischaltung und Asynchronmotor ist Motorschütz eingentlich blödsinning. Einspeiseitig kann man notfalls abschalten obwohl man es technisch gesehen eigentlich nur bei längerem Stillstand machen sollte (damit die ISU freigeschaltet wird und insbes. damit die Zwischenkreiskondensatoren nicht unnötig unter Spannung bleiben, ausser man setzt die ISU als "De Luxe" Kompensationsanlage ein :) ).
INU-ausgangsseitig galvanisch trennen bringt nichts, kostet Geld und falls die INU IGBT Ansteuerung aus irgendeinem Grund nicht sofort blockiert, d.h. bevor sich die Haupstrombahnkontakte des Schützes beginnen zu öffnen, können diese Kontakte zerstört werden (bei Seilbahnen werden FU vektoriell, d.h. nicht skalar, betrieben; ausser man würde z.B. Sinus Filter oder Step-Up Trafos einsetzen, kenn jedoch keine solche Fälle, da wo erforderlich Motor ersezt wird falls nicht kompatibel mit Betrieb am FU, bei den meisten Retrofits sind onehin entweder DC oder manchmal sonst irgendwelche exotische Motoren vorhanden).

Tatsache ist, dass sofern IGBT Modulierungsbklockierung (für "Safe Torque Off", STO, sichere Drehmomentabschaltung) sicherheitstechnisch SIL 3 zertifziert ist, dann braucht es keine galvanische Trennstelle zwischen FU Ausgang und Motor.
Spannungsfreischaltung kann zwar nur nach galvanischer Trennung der IBGT Einspeise/Rückspeiseeinheit (sog. ISU, IGBT Supply Unit auch Active Front-End genannt) erfolgen (danach müssen sich noch die Zwischenkreiskondensatoren entladen), diese ist jedoch nicht notwendig für die sichere Drehmomentabschaltung.
Bei Permanentmagneterregten-Synchronmotoren (z.B. "Direct Drives") ist bei gewissen IGBT Fehlerkombinationen ein Winkelsprung mit Drehmoment möglich (von der Polzahl abhängig), Motor kann jedoch nicht weiterdrehen.
Bei Überdrehzal eines Permanentmagneterregten-Synchronmotors kann der FU beschädigt werden, da die Klemmenspannung über den erlaubten Höchstwert für den FU steigen können.
Bei Asynchronmotoren, also ausser Direct Drives eigentlich alle AC Seilbahnantriebe, passiert nach Blockierung der Ausgangsstufe des FU nichts mehr, Magnetisierung bricht zusammen und dann dreht Motor nur noch mechanisch von der Last oder Schwungmasse angetrieben weiter (Lagerreibung ist gering, die auf das Förder- oder Zugseil bezogene Masse ist jedoch beträchtlich (spielt für die Beschleunigung beim Rollback von Sadzele eine wesentliche Rolle sofern Rotor vom (vermutlich 4-poligen) Motor mitdrehte, schätze vorab mal das Rotorträgheitsmoment bei etwa 7 kg.m2).

Gewisse technische Vorschriften entsprechen onehin nicht dem aktuellen Stand der Technik, in wichtigen Fällen wird Hersteller davon abweichen und den getrennten Nachweis für die Einhaltung der Grundprinzipien erbringen.

Wie gesagt, bevor die Leitung dahin schmilzt dauert es dann doch etwas ;) :D Außerdem darf der Brand von einem Brandabschnitt (Kommandoraum) eigentlich nie in einen Brandabschnitt mit "Seilführungsbereich" übergreifen.
Brandschutz hat es in sich. Siehe den tragischen Grenfell Tower Fall.
Bin da nicht Experte, IMO wird in der Praxis oft (hier nicht auf Seilbahnen bezogen) geschlampt. Möchte mal sehen, wass passiert bei einem Brand in einem alten 6-stöckigen Kaufhaus, zumindest hier in CH. DE ist vermutlich strenger. Kann mich sogar an einen konkreten Fall erinern und als ich mich bei der kantonalen Feuerversicherung erkundigte hiess es lediglich die Gemeinde sei zuständig, nur war dort niemand, der irgendwas von Brandschutz verstand. Aber was soll's, bislang passierte nix und im nachhinein weiss man immer alles besser (siehe die Brankatastrophe von Kaprun).

M.E. ist wie bereits mehrmals erwähnt eine mechanische Zentrifugalauslösung der SB sinnvoller als irgendwelche Hydraulikleitungen verschleppen und bei gewissen Konstruktionen bedarf dies sonst nicht erforderliche bewegliche Hydraulikleitungen (wegen Verfahren des Lorrys [Antriebsbrücke]).
Moderme SB Ausführungen mit zwei redundanten Ruhestromventile sind m.E. weitaus sicher genug, da beide Ventile failsafe sind und zudem auch periodisch getestest werden sofern nicht genügend während dem normalen Betrieb die SB nach Stillstand schliesst.

Nochmal was zum einwerfen ;) es gibt auch grade bei Doppelmayr Anlagen CLF viele Bahnen welche den Notantrieb per Keilriemen auf die Motorwelle wirkend haben :D Sprich hydrostat und dann übertragung per Riemen auf die Motorwelle. Sollte man vergessen die Riemen aufzulegen passiert das selbe wie wenn man das Ritzel nicht einschwenkt
Riemen und Ketten für Bergeantriebe betrachte ich als Antiquität, ebenso wie hydrodynamische Anfahrkupplungen (ähnlich wie Drehmomentwandler, jedoch IIRC ohne Lock-Up Kupplung).

Vermute Keilriemen werden nicht elektrisch überwacht, im Gegensatz dazu werden i.d.R. beide Endstellungen de Schaltkupplungssystems, bzw. Ritzel in Eingriffsstellung oder Endlage ohne Eingriff elektrisch überwacht. Sofern nicht überbrückt oder von Hand am Bremshydraulikaggregat die SB geöffnet wird, kann die SB nicht geöffnet werden solange Bergeantrieb nicht bereit ist, die Last zu übernehmen.

Hier als Beispiel die Überwachung der Hydrostatantriebskupplung bei einer grossen Pendelbahn (125+1-ATW):
viewtopic.php?f=39&t=25185&p=5136546&hi ... t#p5136546
Verriegelungsstössel und entsprechende Endschalter müssen in einer der beiden Endlagen sein, bei vollständig Ausgekuppelter Bogenzahnkupplung kann nur mit dem elektrischen Antrieb gefahren werden, bei vollständig Eingekuppelter Bogenzahnkupplung kann nur mit dem diesel-hydrostatischen Hilfsantrieb gefahren werden.
Entsprechende Stössel können nur in der vorgesehenen Schiebe-Endstellung der Bogenzahnkupplung verriegelt werden. Wird nicht verriegelt kann gar nicht gefahren werden und Bremsen können auch nicht via Steuerung gelüftet werden.
Wird durch grobe Fehlbedienung während der Fahrt entriegelt wird mechanisch gebremst (in diesem Beispiel bleiben sowohl BB wie SB voll funktionsfähig sogar falls die Kupplung zwischen Getriebausgang und Antriebsscheibe katastrophal versagen würde, ist jedoch eine durchschlagsichere elektrisch isolierte Flender Rupex Kupplung, die Bogenzahkupplung mit Schiebemuffe des Hyrostats ist eine elektrisch isolierte Zapex-basierte Spezialausführung).

Das Spannaggregat erzeugt nicht so einen Lärmpegel. Zumindest nicht bei einem CLF. Und das Geräusch müsste dann auch konstant sein :D
Da muss ich Dir vollkommen recht geben, im nachhinein und insbes. auch im anderen Video kann Geräusch unmöglich von Hydraulikaggregat stammen, zudem ist es eine Art dumpfes Surren während man eher ein Getriebegeräusch hört.
Spektrumanalyse muss ich noch machen, glaub zwar nicht, dass dies viel aussagen wird, zudem müsste man die genauen Getriebedaten kennen.
Es gibt übrigens spezialisierte Softwaretools um Zustand von Getriebe aufgrund von Geräuschen zu ermitteln, die Softwarespezialisten von Kissling haben mal sowas entwickelt.

Nothalt Sicherheitsbremse maximal 1,25 m/s²
Mindestverzögerung ist 0,5 m/s² bei Bahnen mit nicht fix geklemmten Fahrzeugen ! (Bei allen Abschaltungen außer Halt)
Bei fixgeklemmten Bahnen bremst man ein wenig sanfter aber nicht viel :D
BB kann auch gestuft oder gestaffelt sein.
Den Wortlaut der CEN kenn ich nicht. Vormalige CH Vorschriften (pre-CEN) kenn ich nicht auswendig, waren jedoch sicher anders formuliert.
Obiges Zitat basiert auf ein öffentlich verfügbares Dokument von Doppelmayr (ist jedoch nicht online), ist also nicht streng geheim da Originaldokument jedermann völlig legal lesen konnte.
Es handelt sich allerdings um Wertbereiche, welche Werte dann effektiv eingestellt bzw. erreicht werden, ist nicht näher aufgeführt.

Ok also unterstützend ? Kenne ich ehrlich gesagt nicht weder bei Doppelmayr noch bei Leitner. Ausnahmlos ALLE (bis auf eine) Abschaltungen im NH-BB Kreis sind die Folge eines Fehler´s am Antrieb und seinen Komponenten ;) Zumal was für Bremsmomente erreicht man da denn bitte ? Eine Bahn wird ja so ausgelegt, dass selbst im schlechtesten Lastfall eine Nothalt Abschaltung allein über den Antrieb erfolgen kann. Dabei erreicht man ja mal leicht so den bis 140% DrM Bereich :D
Weiss nicht genau wo dies der Fall ist, hab's selbst nie gesehen, es handelt sich jedoch nicht um irgend eine Creissels'sche Hirngespinsterfindung meinerseits. :)

Jedenfalls merkwürdig, da man eigentlich recht stark elektrisch bremsen kann. Motor ist relativ gut kurzzeitig überlastbar, beschränkender Faktor sind meist die Leistungshalbleiter der Antriebselektronik (IGBT bei AC FU und Thyristoren bei DC Stromrichtern wobei traditionsgemäss Stromrichter höhere Kurzzeitüberlastbar sind als FU (i.Vgl. zur Dauerleistung). Motor ist kurzzeitig höher überlastbar als Halbleiter wegen den höheren thermischen Zeitkonstanten, d.h. Motor erwärmt sich weniger schnell als die Halbleiter im FU oder Stromrichter.
Man könnte zwar FU oder Stromrichter so dimensionieren, dass Motor thermisch auch kurzzeitig voll ausgenützt werden könnte, dies wäre jedoch viel zu teuer.
FU Dimensionierung kann ebenfalls ein Grund für reduzierte Talförderung bei Umlaufbahnen darstellen (z.B. nur 50 % Talförderung). Ist 100 % Talförderung [hier implizit gemeint bei 0 % Bergförderung] erforderlich, muss der elektrische Hauptantrieb entsprechend dimensioniert werden da in diesem Lastfall für den elektrischen Halt eine hohes Brems-Drehmoment erforderlich ist. Höchstes Drehmoment (also höchster Strom) ist i.d.R. beim Bremsen erforderlich, nicht beim Anfahren und dementsprechend massgebend für die Auslegung des FU oder Stromrichters.

Aber echt cool das es ein paar Leute gibt die sich Auskennen hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet :D

Danke Lagorce da für deine Korrekten Ausführungen !
Danke ebenfalls für Deine sehr sachlich Beiträge.

Diese Antwort habe ich über mehrere Tage verfasst und deshalb wurde sie immer länger und dann kamen noch ein paar OT Exkurse dazu. Schreibfehler mag ich momentan nicht mehr korrigieren. :)
Da doch ziemlich Zeit dahinter steckt hoffe ich, das dies nicht wegen den OT-Anteilen wegmoderiert wird.

PS: Doppelmayr darf sich zu dem Vorfall nicht offiziell äußern !
Ist auch verständlich.
Da muss die Kommunikation über irgendein PR oder CoCo Man (Kokosnuss oder Corporate Communication?) laufen.
Einheitliche Infos sind wichtig und zudem muss man mit den Journalierenden sehr vorsischtig vorgehen. Da kann sehr schnell was falsch interpretiert werden.
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Re: Lift in Georgien fährt ungebremst rückwärts mit viel zu hoher Geschwindigkeit, 12 verletzte, mit Video

Beitrag von Ram-Brand »

^^ 4 Bildschirmseiten Referat. Wenn Du das an mehreren Tagen geschrieben hast, dann gibt uns auch so lange Zeit zum Lesen. :wink:
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