Ich hab ja schon mal im „Unglücks-Topic“ beiläufig die Frage gestellt, wie oft unsere erfahrenen Forumskollegen schon bei einer Lawine als Opfer oder Helfer envolviert waren. Die Fragesetllung möchte ich in einem eigenen Thema weiter vertiefen, nämlich, wieviel Restrisiko bleibt eurer Meinung nach? Wie beherrschbar ist das durch eigene gute Vorbereitung, Planung, Können, Ausrüstung, wieviel bleibt einfach Roulette?
Besonders nachdenklich hat mich folgende Äußerung gemacht:
rush_dc hat geschrieben: ↑05.01.2019 - 19:33
Ich kenne auch jemanden persönlich der unter einer Lawine war, er fährt nicht mehr abseits.
Bedingungen waren eigentlich sehr sicher und dennoch hat es ihn erwischt.
Ich frage das als jemand, der wenig Erfahrung abseits hat, im wirklich freien Gelände gar keine, den es aber immer schon gereizt hat, das Thema mal anzugehen. Gleichzeitig schrecken mich immer wieder Meldungen über Unglücksfälle ab, und da besonders die, wo die Opfer eigentlich alles richtig gemacht haben.
Andererseits fahre ich auch Auto, und da sterben jedes Jahr allein in D mehr als 3.000 Menschen. Ich wäre da für eine Hilfestellung bei einem Versuch das Risiko möglichst objektiv einzuordnen sehr dankbar!
Ist extrem von der individuellen Situation abhängig.
Da gibt es von tatsächlich so gut wie sicher wie zB bei LWS 1 einen eingefahrenen 20 Grad Hang am direkten Pistenrand neben den Stangen fahren, was mE ja ohne jede Ausrüstung geht (ich weiß, viele sehen das anders, weil lebensgefährlich ) bis zu Kamikaze alles.
Wirklich im Freien Gelände gibts meist nicht für die ganze Abfahrt explizit „sicher“, sondern eher günstig, ungünstig, heikel etc. Wer mit solchen Begriffen nicht umgehen kann, lässt es entweder ganz sein oder setzt sich auf den Pisten anderen Risiken aus, wobei er sich dort dann der Illusion von Sicherheit hingeben kann.
Der Mensch reizt eben die Grenzen und sein Wohlfühlrisiko aus. Die liegen mit Ausrüstung und zB auch allein dem Helm höher als ohne das alles.
Munters Lawinenlehre hilft, beruht aber auch nur auf Wahrscheinlichkeiten und Erfahrungen. Ich habe das Buch gelesen und seine „Regeln“ sind mE eher grobe Anhaltspunkte und Grundlagen. Es ist aber jede Situation individuell zu beurteilen. Und zwar immer von Dir selbst und eigenverantwortlich. Unmöglich da irgend welche Pauschalaussagen zu treffen, auch wenn manche sich immer wieder einbilden, das wäre möglich.
Bleibt das Risiko oder Restrisiko, das jeder da draußen für sich selbst beurteilen muss. Das ist nicht nur beim Freeriden oder Touren gehen so, sondern ja manchmal auch zB beim Wandern etc.
Was mich nervt sind nicht die Leute, die Risiken in Kauf nehmen, sondern die, die vom Sofa aus nachträglich Urteile fällen, ohne dabei gewesen zu sein.
“Wir sind gewohnt, daß die Menschen verhöhnen, was sie nicht versteh'n,
Dass sie vor dem Guten und Schönen, das ihnen oft beschwerlich ist, murren.“ [Johann Wolfgang von Goethe]
Kurze Gegenfrage, um einschätzen zu können, auf welchem Level wir sprechen:
Was sagt dir das Thema Risikomanagement? Schon mal Kontakt damit gehabt, beruflich, technisch?
Die Fälle wo jemand nix falschmacht sind sehr selten. Genauso wie die Fälle wo körperliches Unvermögen der Grund ist öfters (also etwa kopfüber wo steckenbleiben mit Ski/Board oben in Busch/Baum/Latsche) - wer nicht die Kraft hat - sich aus sowas zu befreien, sollte halt keine Hänge fahre wo sowas passieren kann (vor allem Latschengelände bzw die 200-300m unter Baumgrenze).
Wenn man viel freeridet wird man aber mal so Situationen begegnen - selbst oder gerade an Tagen wo es eigentlich sicher ist. Meist sind dass dann halt aber nur sehr kleine Schneerutsche (die aber evtl auch blöd ausgehen können).
chatmonster hat geschrieben: ↑06.01.2019 - 21:05
Kurze Gegenfrage, um einschätzen zu können, auf welchem Level wir sprechen:
Was sagt dir das Thema Risikomanagement? Schon mal Kontakt damit gehabt, beruflich, technisch?
Beruflich, ganz anderer Bereich - Maschinensicherheit. Gefährungsbeurteilung und Risikoanalyse ist mir da durchaus geläufig.
Okay. Dann kannst du dir die Frage eigentlich selber beantworten
Bei einer Drehbank besteht die Gefahr, dass ein Finger reingeraten kann. Sehr unwahrscheinlich sowieso, es gibt zur Risikominimierung auch noch Hausungen etc, aber dennoch passieren derartige Unfälle.
Die Frage ist nicht, wie kann ich einen Unfall unmöglich machen, sondern wie kann ich das Risiko auf ein akzeptables Maß senken. Und was im Gelände für dich persönlich akzeptabel ist, musst du für dich entscheiden
Pancho hat geschrieben: ↑06.01.2019 - 14:32
Ich frage das als jemand, der wenig Erfahrung abseits hat, im wirklich freien Gelände gar keine, den es aber immer schon gereizt hat, das Thema mal anzugehen. Gleichzeitig schrecken mich immer wieder Meldungen über Unglücksfälle ab, und da besonders die, wo die Opfer eigentlich alles richtig gemacht haben.
Andererseits fahre ich auch Auto, und da sterben jedes Jahr allein in D mehr als 3.000 Menschen. Ich wäre da für eine Hilfestellung bei einem Versuch das Risiko möglichst objektiv einzuordnen sehr dankbar!
Das ist doch eine schöne Analogie! Warum traust Du Dir zu, Auto zu fahren?
Ein Grund ist sicher, dass Du vertrauen in Deine Ausrüstung hast. Ein weiterer ist, dass Du einen Kurs und eine Prüfung absolviert hast!
Ich denke mir auch öfter, dass ich das Fahren im Freien Gelände gerne mal ausprobieren würde, ich wäre aber wahrscheinlich vorher mal bei einem DAV/ÖAV Kurs dabei.
Was dann noch dazu kommt ist bestimmt noch "Erfahrung", viele Autofahrer kennen Situationen, in denen sie genau wissen, was gleich passieren könnte und verhalten sich dann entsprechend.
Mein persönlicher Plan wäre daher: Im Frühjahr mal nen Kurs buchen, einfache Touren in der Gruppe machen und wenn es dann taugt, langsam steigern.
chatmonster hat geschrieben: ↑06.01.2019 - 21:35
Okay. Dann kannst du dir die Frage eigentlich selber beantworten
Bei einer Drehbank besteht die Gefahr, dass ein Finger reingeraten kann. Sehr unwahrscheinlich sowieso, es gibt zur Risikominimierung auch noch Hausungen etc, aber dennoch passieren derartige Unfälle.
Die Frage ist nicht, wie kann ich einen Unfall unmöglich machen, sondern wie kann ich das Risiko auf ein akzeptables Maß senken. Und was im Gelände für dich persönlich akzeptabel ist, musst du für dich entscheiden
Mir ist klar, dass mir niemand hier sagen wird können, welches Risiko ich am Ende eingehen werde. Ebenso ist klar, dass, egal wie ich es angehe, es niemals Null sein wird. Am Ende wird es meine persönliche Entscheidung sein, mein Risiko, meine Folgen, mein Vergnügen, meine Balance aus beidem...
Im Moment kann ich mangels Erfahrung und Kenntis (im Gegensatz zu meiner beruflichen Situation) keinerlei Abschätzung vornehmen. Ich möchte auch nicht, dass das jemand hier für mich vornimmt, mir ist klar, dass das unmöglich ist.
Was mich einfach interessieren würde:
Die Eingangsfrage dieses Threads müssen sich doch alle die ins Gelände gehen, öfter stellen? Wie sieht eure persönliche Antwort darauf für euch aus? (Nein, ich werde die Antworten nicht auf mich übertragen...)
Meine ganz persöhnliche Antwort war:
die beste Risikominimierung ist immer die Ausbildung! Gefolgt dann von Erfahrung, was bekannter Maßen aber irgendwann durch "Betriebsblindheit" auch in's Gegenteil umschlagen kann.
Man hat im Gelände die üblichen zwei Faktoren wie in jeder Risikobewertung:
1. Schadens-Eintrittswahrscheinlichkeit: a) beurteilen (Schnee, Schneedecke, Gelände etc.) und b) ggf. minimieren (Steilheit, Ausrichtung etc.)
2. Schadensausmaß: zB einzeln Fahren, schnell queren etc...
Wobei einzeln fahren je nach Schneedecke auch wieder die Eintrittwahrscheinlichkeit senkt.
Viele Faktoren, die immer ineinander greifen (und ich habe nur die offensichtlichsten auf geführt, es gibt noch viel mehr).
Gute Frage, gutes Thema. Ein Mitschüler ist vor 30 Jahren mit einer Gruppe von Schülern verschüttet worden und gestorben, ein anderer beim Klettern als erfahrener Bergsteiger abgestürzt.
Ich finde, man sollte sich tatsächlich langsam ran tasten. Es spricht ja nichts dagegen, erst mal auf den Skirouten in den Pistenregionen zu beginnen und wenn diese gesperrt sind, dann mal überlegen, warum und mal darüber Wissen aneignen bei Liftpersonal, Skilehrern in der Gondel etc.. Dann, wenn man alle Skirouten durch hat und diese inn- und auswendig kennt und unbedingt mehr will, sollte man sich einen Bergführer leisten, der einen mal an das Thema ran bringt. Vielleicht kennt man auch jemand, der so etwas seit Jahren macht und mal mitnimmt. Solange man aber nicht weiß, was man tut, sollte man die Finger davon lassen.
Ich habe den Eindruck, dass die ganzen technischen Errungenschaften wie LVS, Airbag, fancy-Klappspaten etc. eher zu mehr Toten geführt haben, als zu weniger. Die Leute werden durch die schicke Klamotte ja förmlich in die Schneewände getrieben. Ich vergleiche das mal mit Segeln, da wird man auch nicht gleich ins Blauwasser geschickt nur weil auf der ISPO gerade eine neue Schwimmweste vorgestellt wurde. Fast muss man glauben, dass vor Erfindung des LVS niemand im freien Gelände unterwegs sein konnte. Also hier mal meine Handhabung: Direkt nach dem Aufstehen wird Wetter und Lawinensituation über entsprechende Webseiten (nicht über Apps) gecheckt. Bei Warnstufe 4 gehe ich strikt nicht ins Gelände, nicht mal unter den Lift. Bei Warnstufe 3 muss ich es auch nicht haben, oft findet man da auch neben der Piste immer noch genügend Powder (wobei es auch da gefährlich sein kann), ich muss auch nicht unbedingt unverspurten Hang haben. Bei Warnstufe 2 gehe ich schon mal dahin, wo ich noch nie einen Lawinenkegel gesehen habe. Mit Einheimischen fahre ich dann auch schon mal in Hänge, in die ich mich alleine nicht rein trauen würde, sonst lasse ich es bleiben. Ich habe es aber auch leichter, weil mir persönlich ein eisharter Hang oder eine 30cm-tiefe Sulzschneepiste mindestens genauso viel Spaß bringt wie ein Tiefschneehang.
Sehr interessante Links, danke dafür. Das beantwortet tatsächlich objektiv einige offene Fragen, insbesondere sind es objektive Statistiken.
Klare Quintessenz (wenig überraschend, aber nochmals deutlich untermauert):
Die Strategie der Wahl muss die Vermeidung einer Verschüttung sein, die „fency“ Ausrüstung steigert die Chance im Verschüttungsfall, aber bei erfolgter Verschüttung ist man auch mit Ausrüstung in jedem 7. Fall durch die Gewalteinwirkung der Lawine schon tot (da hilft keine Ausrüstung), über alles betrachtet zu knapp 50% Wahrscheinlichkeit tot (durch Erstickung mach mehr als 15 Minuten, sofern man den ersten Impact überlebt hat).
Pancho hat geschrieben: ↑08.01.2019 - 09:18
Die Strategie der Wahl muss die Vermeidung einer Verschüttung sein
IMMER!!!
(Auch zielt die Minimierung des Schadensausmaß durch "einzeln Fahren" darauf: erstens kann die Schneedecke vielleicht einen tragen, aber nicht mehrere, dann minimiere ich die Wahrscheinlichkeit. Zweitens wird, wenn der Ernstfall eintritt nur einer verschüttet, die anderen sind mehr oder weniger sicher (und können noch suchen und graben...))
Für mich ist die Entscheidung: Wenn ich mir nicht (gefühlt*) sicher bin, dass es gut geht, dann gehe ich nicht los, oder drehe um...
Wenn ich Situationen als zu komplex betrachte, um sie selber einzuschätzen, gehe ich nicht los, oder nehme Hilfe in Anspruch. Dabei lege ich wert auf persöhnliches Vertrauen und auch dabei die beste Ausbildung. Eine Tour vom DAV (auch SAC) wäre für mich da nicht "Hilfe in Anspruch nehmen", da habe ich schon zu abenteuerliche Aktionen erlebt.
Für mich ist der richtige Ansprechpartner dann ein Bergführer, der auch im entsprechenden Gebiet "zu Hause" ist.
Ein LVS trage ich natürlich immer, je nach Wetter/Schnee/Gesamtsituation sogar beim normalen Pistenfahren (learning aus einem Unfall eines Pistenbulli-Fahrers, der mitsamt des Gerätes verschüttet wurde und zum Glück einen Sender trug).
Einen Airbag habe ich aber nicht.
*natürlich ist die Sicherheit nur gefühlt, dafür bin ich firm genug in Risikoanalysen. Aber eben, das Gesamt-Restrisiko erscheint mir in den Situationen als akzeptabel.
Dafür habe ich deutlich weniger Touren- und Geländetage als andere...
Ich baue darauf, dass ich die Eintrittwahrscheinlichkeit soweit minimiere, dass ich nicht in die Situation komme, das Schadensausmaß mit dem Airbag minimieren zu müssen.
Das LVS stört halt nicht, wenn man einmal unterwegs ist, merkt man es nicht mehr. Die Airbag-Rucksäcke, die ich bislang mal anprobiert hatte, haben mir nicht gut gesessen und sind unter Gesichtspunkt Rucksack unpraktisch und zu schwer.
Ist eine zweischneidige Kiste, bisher habe ich immernoch entschieden "ich brauche den nicht". Da ich älter werde und noch ne Frau bin, sieht die Entscheidung vielleicht in Zukunft anders aus...
Anders sieht sie auch in einem anderen Sport aus:
Ich reite auch, auch dort "Gelände". Heißt springen über feste Hindernisse, die (im allgemeinen) nicht nachgeben wie die Stangen im Parcours und das aus ziemlich hohem Tempo.
Auch hier, wichtigste Maßnahme: Ausbildung, Ballance, Erfahrung. Auch vom Pferd. Ein gute Geländepferd hat Mut und Geschick, entscheidet aber vorallem auch mal selber, denn tatsächlich weiß das Pferd besser, ob es einen Sprung schafft oder nicht, oder etwas anders taxiert. Da ich aber auf die Aktionen des Pferdes nicht so 100% Einfluss nehmen kann wie auf meine eigenen, trage ich hier tatsächlich eine Airbagweste. Ein Sturz auf der Strecke kann da auch sehr schnell böse werden.
(Gebraucht habe ich den Airbag bisher 1x, aber gar nicht auf der Strecke, sondern beim Warm-Up mit nem Jungpferd, das ein bisschen Rodeo machen wollte...)
chatmonster hat geschrieben: ↑08.01.2019 - 09:59
Einen Airbag habe ich aber nicht.
Wieso nicht?
Ich habe auch keinen Airbag, weil ich der Meinung bin, dass das Vorhandensein eines solchen nur dazu führt, dass man mehr Risiko geht. So schätzt man das Risiko besser ab und sagt eher nein. Mal davon ab das ich als Student auch nicht das Geld hatte.
Man sollte sich gut Wissen über Schneedeckenaufbau und Erfahrung im Gelände aneignen, um Sachen einschätzen zu können. Habe ich zum Glück schon durch mein Studium.
Und natürlich denk Umgang mit LVS, Sonde und Schaufel üben!
Zudem minimiert es sicher auch das Risiko wenn man Hänge fährt, die öfter gefahren werden (In Kappl, am Stubaier und in SFL weiß ich da sehr gut Bescheid). Das Risiko hängt natürlich auch vom Gefahrenmuster ab, Triebschnee ist viel offensichtlicher zu sehen wie eine Schwachschicht durch eine Graupel oder Regenkruste.
Auch wenn der Bericht http://www.spiegel.de/reise/aktuell/alp ... 47155.html sicher nur für Flachländer die noch nie in den Bergen waren neue Erkenntnisse bietet, so finde ich doch zwei Aussagen darin sehr interessant:
1.
In Österreich zählten das Kuratorium Alpine Sicherheit und die Alpinpolizei (KFA) vom 1. November 2017 bis 1. November 2018 insgesamt 65 tote Wintersportler. 17 davon starben durch Lawinen im freien Gelände. Auf Skipisten dagegen kamen 29 Menschen ums Leben.
Auf den Skipisten ist das relative Risiko natürlich gringer, weil weitaus mehr Skifahrer. Ich hätte es aber anders eingeschätzt.
2.
Laut Bucher vom DAV wird die Zahl der verunglückten Tourengeher über die Jahre eher nicht größer, obwohl immer mehr Menschen Skitouren unternehmen.
Das zeigt doch, das neben den unverbesserlichen Idioten, die wohl genauso schnell nachwachsen wie sie vorzeitig verunglücken, sich die Mehrzahl der Tourengehen sehr wohl verantwortlich mit dem Thema auseinander setzt. Jetzt wäre noch interessant um wieviel die Anzahl der Tourengehen angestigen ist, aber wenn ich mir ansehe das ich heut an jedem Tag mindestens ein paar Tourengehen schon auf der Skipiste sehe und vor einigen Jahren eher wenig bis gar keine, gehe ich schon von einem Anstieg um mehr als 100% aus.
Laut Bucher vom DAV wird die Zahl der verunglückten Tourengeher über die Jahre eher nicht größer, obwohl immer mehr Menschen Skitouren unternehmen.
Eine mögliche Erklärung für diesen Befund wäre, dass Zunahme der Tourengeher hauptsächlich durch die immer mehr werdenden Pistentourengeher hervorgerufen wird, während die Anzahl derjenigen, die Touren im freien Gelände ausüben, sich nur geringfügig ändert.
Pancho hat geschrieben: ↑06.01.2019 - 14:32
... wieviel Restrisiko bleibt eurer Meinung nach? Wie beherrschbar ist das durch eigene gute Vorbereitung, Planung, Können, Ausrüstung, wieviel bleibt einfach Roulette?
Restriskio bleibt immer, denn nur wenn kein Schnee am Hang klebt ist die (Schnee)Lawinengefahr Null. Ansonsten reicht ein passender Hang mit passender Neigung und etwas Pech und es geht rund. Wäre dem nicht so, müsste es ja auch erst ab einer gwissen Untergrenze der LWS Lawinentote geben. Da es aber auch Tote bei LWS 1 und nicht nur bei 3 aufwärts gibt....
Und wer danach noch geht und wer nicht? In meinem Umfeld ware eine in ner Lawine, die geht noch. Ich selber habe jetzt 2 ordentliche und 2 weitere Minirutsche abbekommen und gehe noch, und mein anderer Kollege, der auf Skitour 20m am Seil in ne Spalte reingefallen ist, der geht auch noch auf Tour.
Der Anfänger, der 2010 mit uns auf seine erste Skitour ging und gleich in eine Grosslawine mit zwei Todesopfer reingelaufen ist, der geht nicht mehr.
becks0815 hat geschrieben: ↑23.01.2019 - 14:29
Und wer danach noch geht und wer nicht? In meinem Umfeld ware eine in ner Lawine, die geht noch. Ich selber habe jetzt 2 ordentliche und 2 weitere Minirutsche abbekommen und gehe noch, und mein anderer Kollege, der auf Skitour 20m am Seil in ne Spalte reingefallen ist, der geht auch noch auf Tour.
Ganz ehrlich, bei der Bilanz würde ich persönlich mir einmal überlegen, ob Du (sei es durch eigene Einschätzung oder Auswahl Deiner Entscheider) nicht vielleicht etwas zu viel Risiko akzeptierst.
Ich bin selbst seit 20 Jahren abseits unterwegs (teilweise auch als Guide für Gruppen) und hatte noch nicht eine Lawine/Schneebrett. Auch die Meisten Bergführer mit denen ich gehe & spreche haben eigentlich einer nuller Bilanz.
Und dies entspricht auch meinen eigenen Ansatz für die Thematik: Wenn ich mir nicht zu 99% sicher bin, fahre ich nicht in einen Hang ein. Das eine Prozent steht bei mir für Restrisiko aus Erdbeben (nicht so selten wie manche jetzt glauben), ein Rudel Gemsen das etwas lostritt, plötzlich abrechende Felsen etc. Das heißt wenn nicht wirklich etwas ungewöhnliches passiert, hält der Hang. Natürlich fahre ich dadurch nicht in jeden Hang ein aber dadurch kann ich das freeriden jetzt schon viele Jahre unfallfrei genießen. Auf die ursprüngliche Frage bezogen: Ich denke, dass mein persönliches Risiko für eine Lawine deutlich unter dem Risiko liegt, auf der Piste umgefahren zu werden. Wenn man die Verhaltensregeln, die die Wissenschaft mittlerweile erarbeitet hat, beherzigt (und im Zweifel defensiv auslegt), ist das Abseitsfahren eine sehr sichere Sache. Entscheidend ist, dass man ein paar einfache Grundregeln beherzigt, damit sind 80% der Unfälle schon mal ausgeschlossen. Die restlichen 19% hole ich mir über Erfahrung und Risikominimierung im konkreten Gelände. Und das eine Prozent bleibt.
Und dies entspricht auch meinen eigenen Ansatz für die Thematik: Wenn ich mir nicht zu 99% sicher bin, fahre ich nicht in einen Hang ein. Das eine Prozent steht bei mir für Restrisiko ...
1% Restrisiko in Kauf zu nehmen ist aber eine enorme Risikobereitschaft. Das zeigt folgende Zusammenstellung:
Anzahl der Entscheidungen mit 1 % Restrisiko --> Wahrscheinlichkeit für mindestens eine Fehlentscheidung:
1promille ist noch zu hoch. Ich fahre pro Jahr sicher in 200-300 hänge ein wo ich Nachdenken muss (10-15 freeride Tage pro Saison mit einem 3-4er, pro Tag 20 Entscheidungen, kann ja mehrere pro Run geben, aber auch andere wo man dank vorherigem schon entschieden hat und nun sicher, oder wieder entscheiden). 1prozent wäre Wahnsinn. 0.2-0.5 prozent das was kleines passiert geh ich ein, wenn ich nicht alleine bin und der reward passt. 1 Prozent wäre insane
Die ein Prozent sind natürlich nicht wörtlich oder gar mathematisch zu verstehen, sondern sollten lediglich illustrieren, dass selbst bei defensiver Planung (Rest-)Risiken bleiben (wie Gemsen etc. siehe oben), die sich nicht wegstrukturieren lassen.
extremecarver hat geschrieben: ↑23.01.2019 - 22:14
1promille ist noch zu hoch. Ich fahre pro Jahr sicher in 200-300 hänge ein wo ich Nachdenken muss (10-15 freeride Tage pro Saison mit einem 3-4er, pro Tag 20 Entscheidungen, kann ja mehrere pro Run geben, aber auch andere wo man dank vorherigem schon entschieden hat und nun sicher, oder wieder entscheiden). 1prozent wäre Wahnsinn. 0.2-0.5 prozent das was kleines passiert geh ich ein, wenn ich nicht alleine bin und der reward passt. 1 Prozent wäre insane
Ich denke, du meist im letzten Satz 0,2 bis 0,5 Promille, weil sonst widersprichst du selber deinen ersten Satz.
Aber selbst 0,1 Promille Risikobereitschaft wäre sehr hoch.
Wenn du 300 mal eine Entscheidung mit Restrisiko 0,1 Promille triffst, ist die Wahrscheinlichkeit für mindestens eine Fehlentscheidung immerhin 3%.
(schon wieder den Zitier-Button mit dem Danke-Button verwechselt)
ghostbikersback hat geschrieben: ↑23.01.2019 - 17:14
Ganz ehrlich, bei der Bilanz würde ich persönlich mir einmal überlegen, ob Du (sei es durch eigene Einschätzung oder Auswahl Deiner Entscheider) nicht vielleicht etwas zu viel Risiko akzeptierst.
Sei doch froh, wenn ich die Statistik vorrantreibe, bleiben statistisch gesehen dafür mehr Leute ohne Unfall.
Mein "Berglehrer" vor ein paar Jahren war ein Schweizer Bergführer. Mehrere Nordwand Solobegehungen (Eiger, Matterhorn), hat auch Kunden durch die Eigerwand geführt. War beim SAC UTO Hochtourenleiterausbilder mit Schwerpunkt Lawinengefahren/Winterausbildung, war Unfallsachverständinger beim damailgen grossen Lawinenunglück an der Jamtalhütte, war Präsident bei der UIAA im Bereich Eisklettern. Hat mir irgendwann mal auf Tour erzählt, dass die einzigen Gefahren in den Bergen, vor denen er wirklich Respekt hätte (weil nicht berechenbar) Gletscherspalten und Lawinen seien. Mit ihm bin ich 2008 im Juli aufs Matterhorn, danach ist er in den Urlaub nach Kanada und dort in einer Lawine am Mt. Robsen verunglückt und an meinem Geburtstag war ich dann auf seiner Beerdigung.
Er war kein Draufgänger und garantiert auch kein Anfänger. Er war einfach ein Fall für "Pech", "dumm gelaufen", "Statistisk" - wie immer man es auch nennen will. Ich bin da nicht wirklich eine Ausnahme, denn wenn man jedes Jahr grob 80 Tage im alpinen Gelände verbringt, dann kann man noch so vorsichtig sein, irgendwan greift eben die Statistik zu.
Entweder man akzeptiert es oder nicht und lässt es dann eben mit den Bergen und fällt eventuell halt irgendwann beim Fernsehen tot vom Hocker.