Hahnalpl im Donnersbachtal, 23.2.22: spektakuläre Wechten und Powder-Glück

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gerrit
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Hahnalpl im Donnersbachtal, 23.2.22: spektakuläre Wechten und Powder-Glück

Beitrag von gerrit »

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Wenn in Gesprächen irgendwie das Thema Schifahren aufkommt und ich vom Schitourengehen und manchen schrägen Aktionen berichte, die auch hier dokumentiert wurden, dann kommt oft die Reaktion „Das würde ich ja auch gerne einmal machen, aber ich kann nicht gut genug tiefschneefahren“, fallweise aber auch „Ja schon, aber es gibt ja so selten wirklich Pulverschnee zum Runterfahren“.
Ich gebe ja gerne zu, meine primäre Intention, mit dem Tourengehen zu beginnen, war auch die Aussicht auf tolle unverspurte Powderhänge, mein diesbezügliches Schlüsselerlebnis, als ich das erste Mal die unvergleichliche Leichtigkeit des Schwebens im Pulverschnee verspürte, ist ja im Epilog meiner Gastein-Reportage festgehalten.
Daraufhin machte ich noch während meines Studiums einige vom Universitätssportinstitut veranstaltete Tourenkurse und betrieb diese Sportart lange Jahre als gelegentliche Ergänzung zum normalen Schifahren auf Pisten bzw. zum Variantenfahren. Hierbei bewährte sich stets die Philosophie von „Ski-Plus“, nämlich die Verwendung von Steigfellen zusätzlich zu Seilbahnen und Liften, um noch ein paar zusätzliche Höhenmeter oder Traversierungen in andere Geländekammern zu machen und so dem Freerider-Stress in Pistennähe zu entkommen. Allerdings hat die Zahl der Powder-Enthusiasten in den letzten Jahrzehnten so sehr zugenommen, dass Tiefschneefahren unter Verwendung von Aufstiegshilfen an „Idealtagen“ mittlerweile auch in kleineren Schigebieten zu einer extrem stressigen Angelegenheit geworden ist.
Nachdem auch Sabine, die bei unserem Kennenlernen Anfang der 90-er Jahre noch eine reine „Schönwetter-Pisten-Fahrerin“ gewesen ist, zunehmend Gefallen zunächst am Variantenfahren und dann am Tourengehen gefunden hat, nimmt diese Art von Bergsport bei uns mittlerweile den wesentlichen Teil unserer Winterfreizeitgestaltung ein, Pistenschifahren gibt es fast nur mehr zwischendurch im Einzugsbereich unserer Schneebären-Saisonkarte.
Möchte man aber wirklich langfristig Freude am Tourengehen haben, so muss man sich sehr rasch von der Vorstellung verabschieden, man täte dies vor allem wegen der tollen Abfahrten. Das Hinunterkommen kann sich manchmal als genauso anstrengend wie das Aufsteigen gestalten, windgepresster Schnee, Sulz oder Bruchharsch haben durch die Wetterkapriolen der letzten Jahre gefühlt erheblich zugenommen und machen eine überlegte Tourenplanung unter Berücksichtigung von Hangsteilheit und –ausrichtung nicht nur aus Sicherheitsgründen sondern auch im Hinblick auf den zu erwartenden Abfahrtsgenuss notwendig.
Ausschlaggebend für eine „erfolgreiche“ Schitour ist allerdings das Gesamterlebnis, die Bewegung in der Natur, die körperliche Herausforderung, die Planung der Route, gegebenenfalls das Zusammenspiel der Gruppe und vor allem das „Erarbeiten“ eines Gipfels, das völlig andere landschaftliche Eindrücke als die Fahrt mit einer Aufstiegshilfe hinterlässt. Die Abfahrt ist oft nur ein kleiner Teil im Mosaik der Eindrücke, die man von einem Tourentag in Erinnerung behält, kann aber natürlich gelegentlich das „Sahnehäubchen“ einer alpinistischen Unternehmung darstellen.
Wir schreiben den 23.2.2022, wieder ist unsere Urlaubswoche im Februar ziemlich warm und vor allem zu Beginn des Aufenthalts in Altaussee sehr feucht, es ist einfach frustrierend, bei strömendem Regen anzukommen und das Gepäck ins Haus zu tragen, aber was soll man sonst machen als sich mit dem Wetter arrangieren. So besuchten wir wieder einige Ziele in den Niederen Tauern, die ersten 4 Touren im Liesingtal in der Nähe des Schoberpasses, im Triebental und im Donnersbachtal waren nett, aber nicht wirklich spektakulär, und so erwarteten wir an jenem Tag nach nächtlichen Regenfällen in Altaussee nicht unbedingt ein Highlight, auch während der Anreise zum Ausgangspunkt der Tour waren die Bedingungen eher als trist zu bezeichnen.
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Unser heutiges Ziel ist ein wenig bekannter Berg im hinteren Donnersbachtal, das Hahnalpl, mit 1942m ein eher unbedeutender Gipfel in der Nähe des Hochwarts. Helmut, seines Zeichens Tourenwart beim Österreichischen Alpenverein hat – wie üblich – das Ziel ausgesucht und erhofft sich gute Schneeverhältnisse für die Abfahrt an der Westflanke dieses Berges, ich hingegen bin ziemlich skeptisch und befürchte, dass der Sturm der vergangenen Tage und auch der letzten Nacht die Hänge eher zerstört hätte.
Wie üblich der Beginn auf einer Forststraße, aber immerhin nicht so eisig wie die Forststraßen ein Jahr zuvor.
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Bald jedoch kommt richtiger Schnee unter die Felle.
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Hier hat vor einigen Jahren ein heftiger Sturm gewütet, das Ambiente in Verbindung mit dem grauen Himmel trägt auch nicht gerade dazu bei, unsere Laune zu heben.
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Unsere Gruppe hat im Vergleich zum Vorjahr etwas Zuwachs bekommen, von links nach rechts: Kris, Doris, Mike (der gefühlt den gesamten Aufstieg damit zubringt, Handwerker wegen eines Notfalls in seinem Haus in London zu koordinieren), Sabine und Helmut
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Die Umgebung wird jedoch zunehmend idyllischer, vor allem sind wir schon so hoch, dass der Niederschlag der letzten Nacht hier in Form von Schnee heruntergekommen ist. Bild

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Und plötzlich reisst es auf, die Sonne verwandelt den Wald in ein Winterwunderland.
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Die Stimmung hebt sich eklatant und auf genussreicher Trasse erreichen wir die Baumgrenze.
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Wir erreichen den Kamm und es eröffnet sich ein schöner Blick. früheres Zitat Nadja andernorts: "die Gipfel in den Niederen Tauern schauen irgendwie alle gleich aus." Daher kann ich jetzt auch nicht sagen, ob es sich bei diesem Berg um das Laubtaleck, die Hochweberspitze oder den Eiskarspitz handelt......😉
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Beeindruckend sind aber vor allem die imposanten Wechten, die die häufigen Stürme in diesem Winter modelliert haben!
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Auch heute geht eine raue Brise, sodass der weitere Anstieg wieder etwas anspruchsvoller wird.
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Man sollte sich tunlichst davor hüten, zu weit nach links zu geraten.
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Der obligate Blick hinaus ins Donnersbachtal.
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Und schließlich erreichen wir den Gipfel.
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Angesichts des Sturmes verzichten wir auf eine lange Pause und machen uns für die Abfahrt fertig.
Was nun die kommenden Minuten betrifft könnte ich ja behaupten, Helmut hätte mit seiner Vermutung einfach nur Glück gehabt, aber in Wirklichkeit hat es uns wieder gezeigt, wie sehr wir immer wieder von seiner alpinistischen Expertise profitieren. Die Abfahrt ist nämlich nicht nur „brauchbar“ oder „gut“, nein, sie ist schlicht und einfach perfekt: kein Wind mehr, dafür traumhafter Powder auf ideal geneigten Hängen in lockerem Waldgebiet.

Heute fungieren als Fotomodelle:
Doris
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Doris
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Mike
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Das Hahnalpl ist in der Tat ein unbekannter und unbedeutender Berg im Donnersbachtal, und doch ist allen Teilnehmern diese Tour als ein wirkliches Highlight des Winters 2021/22 in Erinnerung geblieben.
Auf der Rückfahrt nach Altaussee muss noch ein kurzer Fotostopp an der Schiflugschanze am Kulm sein, um den tief verschneiten und von der Nachmittagssonne höchst fotogen in Szene gesetzten Grimming bildlich zu dokumentieren.
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Zuletzt geändert von gerrit am 09.08.2023 - 19:13, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Hahnalpl im Donnersbachtal, 23.2.22: spektakuläre Wechten und Powder-Glück

Beitrag von vovo »

Da würde man am liebsten sofort mit, aber ich bleib beim Alpinski, solange es noch ein paar urige Gebiete gibt. Aber man sieht den Bildern an, warum das sicher ein super Erlebnis ist, abseits in freier Natur einen Berg mit Skiern zu besteigen.
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Re: Hahnalpl im Donnersbachtal, 23.2.22: spektakuläre Wechten und Powder-Glück

Beitrag von Gletscherfloh »

Wie immer hat Gerrit unsere Tour sehr prägnant zusammen gefasst. Ich erinnere mich noch sehr gut an die allgemein gedämpfte Laune bei der Hinfahrt und auch noch im Donnersbachtal beim Start, wo die Neuschneemenge doch deutlich unter den Erwartungen gelegen ist (ich hatte zwar diverse Infos von LWD-Stationen über die Neuschneemenge weiter oben, aber ich wollte nicht allzu optimistisch auftreten, weil dann sonst die Ansprüche zu hoch gelegt werden ;).
Weiter oben als der Neuschnee dann immer tiefer wurde, das Wetter immer besser, da war dann die Welt wieder in Ordnung und unsere Laune erreichte neue Höhepunkte. Der so hochalpin anmutende verwächtete Gipfelgrat hat uns dann alle sehr "gflashed".
Am Gipfel gab es dann noch die Diskussion: Lieber die Aufstiegsroute runter fahren, wo wir wissen da gibt es Zonen mit schönem Schnee oder "alles" zu wagen und die skifahrerisch schönere, aber von den tatsächlichen Verhältnissen her unbekannte Variante zu wählen.

Hier ein paar meiner Fotos:

Unsere Gruppe beim Aufstieg im Wald
Hahnalpl-Aufstieg-Wald-Gruppe.jpg
An der Waldgrenze beim Spuren: Die Freude über den Neuschnee war so groß, dass es ein richtiges "Griss" ums Spuren gab ;)
Hahnalpl-Aufstieg-Waldgrenze-Doris.jpg
Im Almgelände war dann beim "Griss" ums Spuren Kris nicht mehr zu halten und zog uns davon ;)
Hahnalpl-Aufstieg-Spuren-Kris.jpg
War aber wirklich sehr einladend ...
Hahnalpl-Aufstieg-Almgelände.jpg
Dann kam die Wächte ...
Hahnalpl-Aufstieg-Wächte-2.jpg
Abfahrt oben (da war der Schnee noch stark windbeeinflusst)
Abfahrt-Hahnalpl-oben.jpg
Ab der Waldgrenze wurde es rasch immer besser mit den Schneebedingungen
Abfahrt-Hahnalpl-Mitte.jpg
Abfahrt-Hahnalpl-Mitte-2-Doris.jpg
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Re: Hahnalpl im Donnersbachtal, 23.2.22: spektakuläre Wechten und Powder-Glück

Beitrag von bastian-m »

gerrit hat geschrieben: 01.04.2023 - 11:48 Möchte man aber wirklich langfristig Freude am Tourengehen haben, so muss man sich sehr rasch von der Vorstellung verabschieden, man täte dies vor allem wegen der tollen Abfahrten. Das Hinunterkommen kann sich manchmal als genauso anstrengend wie das Aufsteigen gestalten, windgepresster Schnee, Sulz oder Bruchharsch haben durch die Wetterkapriolen der letzten Jahre gefühlt erheblich zugenommen und machen eine überlegte Tourenplanung unter Berücksichtigung von Hangsteilheit und –ausrichtung nicht nur aus Sicherheitsgründen sondern auch im Hinblick auf den zu erwartenden Abfahrtsgenuss notwendig.
Ausschlaggebend für eine „erfolgreiche“ Schitour ist allerdings das Gesamterlebnis, die Bewegung in der Natur, die körperliche Herausforderung, die Planung der Route, gegebenenfalls das Zusammenspiel der Gruppe und vor allem das „Erarbeiten“ eines Gipfels, das völlig andere landschaftliche Eindrücke als die Fahrt mit einer Aufstiegshilfe hinterlässt. Die Abfahrt ist oft nur ein kleiner Teil im Mosaik der Eindrücke, die man von einem Tourentag in Erinnerung behält, kann aber natürlich gelegentlich das „Sahnehäubchen“ einer alpinistischen Unternehmung darstellen.
Perfekte Beschreibung, absolut treffend! Für mich spielte die Powder-Abfahrt allerdings auch am Anfang keine besondere Rolle, als Weitanreisender ohne die Möglichkeit für spontane Wochenenden war ich eh immer schon auf fixe Zeiträume festgelegt und da hat man dann nun wahrlich selten Glück mit dem perfekten Neuschnee.
Sehr schöne Tour und fast schon surreal das Foto eures Aufstiegs durch die ausgeholzte abgewehte Passage!
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