Sehr geehrte(r) Herr/Frau ...,
ich wende mich vor der Abstimmung im EU-Parlament zur geplanten Urheberrechtsreform und dem darin enthaltenen Artikel 13 in einer persönlichen Email an Sie.
Ich habe absolutes Verständnis dafür, dass das Urheberrecht an die digitale Wirklichkeit angepasst werden muss. Aber der Artikel 13 ist dazu in der vorliegenden Form weder nötig noch hilfreich.
Ich bitte Sie, bei der Abstimmung Ende März gegen den Artikel 13 zu stimmen. Dieser wird massive negative Auswirkungen auf privat betriebene Special-Interest-Foren haben, die nach Stand der Dinge von der Prüf- bzw. Filterpflicht ebenso betroffen sein werden wie die großen kommerziellen Plattformen wie z.B. Google, Youtube, Twitter, Facebook, Presse- und Medienkonzerne usw.
Die Forenbetreiber können sich weder die Entwicklung noch den Kauf von möglicherweise nötigen Uploadfiltern leisten, noch können sie kostenintensive Onlineredaktionen betreiben, die jeden von einem User erstellten Forenbeitrag vorab manuell auf evtl. auftretende Urheberrechtsverstöße prüfen. Sie können auch nicht, wie das großen Plattformen möglich ist, mit den Rechteinhabern bzw. den Verwertungsgesellschaften Lizenzverträge abschließen.
In der Praxis haben die Foren gar nicht das Problem, dass User fremdes urheberrechtlich geschütztes Material in ihren Beiträgen verwenden. Im Gegenteil: Die Beiträge stammen von den Usern selbst, in vielen Foren veröffentlichen die User auch selbst erstellte Fotos oder Videos.
Sollte es doch einmal zu einem möglichen Urheberrechtsverstoß kommen, wird dieser von den Betreibern bzw. Moderatoren der Foren umgehend ab Kenntnisnahme geklärt und der Inhalt entfernt. Dieses "Notice and Take Down" hat sich bewährt, meiner Meinung nach ist hier keine Änderung nötig.
Ich möchte im Zusammenhang mit den Foren auf diesen offenen Brief der Initiative "Foren gegen Upload-Filter" verweisen:
https://foren-gegen-uploadfilter.eu/offener-brief/
In den letzten Tagen haben mich vor allem einige Aussagen von Hr. Axel Voss irritiert und verärgert. Bisher hat er immer behauptet, dass im Gesetzentwurf nirgendwo etwas von Uploadfiltern steht und dass niemand Uploadfilter haben wolle. In einem Interview mit der Deutschen Welle (12.03.2019,
https://www.dw.com/en/memes-could-be-fi ... 600CELVDN4) spricht er nun davon, dass große Plattformen wie Youtube technische Lösungen einsetzen müssten. Darunter verstehe ich gerade Uploadfilter.
Die Aussage von Hr. Voss, dass nur 1,5 % der Internetplattformen von Artikel 13 betroffen seien, kann ich absolut nicht nachvollziehen. Viele Internetangebote, nicht nur Foren, bieten heutzutage die Möglichkeit, dass User Kommentare hinterlassen oder sonstige Beiträge verfassen. Alle diese Beiträge müssten auch geprüft und gefiltert werden.
Dass Hr. Voss offensichtlich nur die großen Plattformen im Auge hat, ergibt sich aus der Aussage im DW-Interview, dass man prüfen müsse, ob Plattformen wie Youtube, deren Geschäftsmodell darauf basiert, den Usern Zugriff auf urheberrechtlich geschütztes Materiel zu geben, überhaupt noch eine Daseinsberechtigung hätten. Bei dieser Aussage verkennt Hr. Voss auch, dass auf Plattformen wie Youtube mittlerweile in großem Umfang von den Usern selbst produzierte Inhalte hochgeladen werden. Außerdem haben Plattformen wie Youtube mit den Verwertungsgesellschaften entsprechende Verträge abgeschlossen, um die Urheberrechtsinhaber zu vergüten.
Massiv verärgert hat mich die Aussage von Hr. Voss in einem Interview mit dem Handelsblatt vom 27.02.2019 (
https://orange.handelsblatt.com/artikel/56303). Zum einen weist er in diesem Interview das Thema Uploadfilter noch von sich, die er im DW-Interview vom 12.03. als Notwendigkeit sieht.
Vor allem aber diese Aussage im Handelsblatt-Interview ist ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die schon seit langem auf die Risiken einer automatisierten Filterung und deren mögliche Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit hinweisen:
"Ich kann nicht dafür garantieren, dass die Maßnahmen, die Plattformen ergreifen um ihrer Haftung gerecht zu werden, hundertprozentig arbeiten und deshalb die Meinungsfreiheit auch mal eingegrenzt wird. Aber natürlich soll nichts geblockt werden, was rechtmäßig ist."
Was bitte soll ich mir unter einer "Eingrenzung der Meinungsfreiheit" vorstellen? Wie soll ich mich als möglicherweise betroffener User dagegen wehren?
Ich möchte Sie also nochmal darum bitten, gegen den Artikel 13 zu stimmen, falls Sie bisher dafür gestimmt haben. Sollten Sie bisher schon dagegen gestimmt haben, dann bleiben Sie bitte bei Ihrer Meinung.
Aufgrund der Wichtigkeit des Themas und weil Sie sich bisher bereits dazu öffentlich geäußert haben (z.B. in den Abstimmungen zur Urheberrechtsreform am 05.07.2018 und am 12.09.2018), setze ich Ihr Einverständnis als gegeben voraus, dass ich Ihre Antwort im Wortlaut veröffentlichen darf.
Den Text dieses Schreibens werde ich bereits jetzt im Sinne eines Offenen Briefes in Diskussionsbeiträgen in Foren veröffentlichen.
Mit freundlichen Grüßen