ÖBB-Seilbahn Stubach | Enzingerboden | Juni 2018
Auf dem Hochplateau Enzingerboden hoch über Uttendorf im Salzburger Land liegt das Skigebiet Weißsee Gletschwelt, das unter den Nostalgie-Freunden dieses Forums als gemütlicher Geheimtipp gehandelt wird. Neben den Anlagen des Skigebiets, die größtenteils aus den 1980ern stammen, hat das Hochplateau noch etwas weitaus Interessanteres zu bieten: Die zwei Sektionen der Pendelbahn Stubach, die als Werksseilbahn von der Österreichischen Bundesbahn-Tochtergesellschaft ÖBB Infra betrieben wird.
Die Anlagen sind zwar Werksseilbahnen, können von Ende Juni bis Mitte Oktober im Rahmen einer geführten Kraftwerksbesichtigung aber auch von Personen außerhalb der ÖBB genutzt werden. Das Angebot ist für Seilbahn-Interessierte attraktiv: Herauf geht es mit den zwei Sektionen der Pendelbahn von 1950/51, hinab mit der betagten 6-EUB von 1982. Die Tickets (25 €) für diese Rundtour sind an der Talstation der EUB erhältlich.
Weitere Informationen:
https://infrastruktur.oebb.at/de/inform ... -bahnstrom
https://infrastruktur.oebb.at/file_sour ... gen-de.pdf (PDF!)
Die Führungen werden Dienstags und Donnerstags angeboten. Mir passten die ersten beiden Termine der Saison Ende Juni, der erste wurde allerdings aufgrund mangelnder Teilnehmerzahl abgesagt - telefonische Anmeldung und Auskunft vorab wird erbeten und ist unbedingt zu empfehlen. Zwei Tage später hatte ich dann mehr Glück: Aufgrund des angesagten Schlechtwetters hatten sich einige Urlauber für eine Führung durch die Kraftwerksanlagen entschieden. Der Tag stand im Zeichen des Wassers - und das leider nicht allein, weil es sich beim Stubachwerk um Wasserkraftwerke der ÖBB für den Bahnstrom handelt. Es regnete immer wieder und dichte Wolken/Nebel waren ständiger Begleiter.
Wenn man es nicht gewohnt ist, ist die Anfahrt vom Tal zur Talstation schon abenteuerlich: Diese liegt auf rund 1.480 Metern und muss zunächst in rund 25 Minuten über eine kehrenreichen Straße erreicht werden, deren Zustand mal besser und mal schlechter ist.
Anfahrt und Ticketkauf verliefen problemlos und während es draußen mal stärker, mal schwächer tröpfelte, füllte sich der Ausstellungs-/Wartebereich in der Talstation der PB mit den Tourteilnehmern. Nur ein Guide war nicht in Sicht - rund 45 Minuten und einige Anrufe an der EUB-Kasse später tat sich dann was. Offenbar hatte jemand vergessen der ÖBB mitzuteilen, dass an diesem Tag eine Führung stattfinden sollte. Als Guide sprang kurzerhand der Kraftwerksleiter ein. Dass er seinen Job mit Herzblut verfolgt war daran zu merken, dass er uns eine sehr umfangreiche Führung gab, diese den Interessen der Teilnehmer anpasste und sehr detaillierte und ehrliche Antworten auf die zahlreichen Fragen der offenbar technisch versierten Teilnehmer gab. Mir war es hier und da zu viel Kraftwerk, schließlich war ich vorwiegend wegen der Pendelbahnen dort. Aber auch ich sollte später nicht zu kurz kommen.
Schon interessant, wie unterschiedlich Menschen damit umgehen, wenn sie unfreiwillig warten müssen. Ein Teilnehmer wurde sehr schnell ungeduldig und fing dann mit jeder weiteren Minute an lauter zu schimpfen. Andere nutzten die Zeit, um die die frische Luft des verregneten Gebirges zu genießen oder sich die Ausstellung in der Talstation genau anzusehen. Die Raucher rauchten eine nach der anderen, während eine Handvoll Besonnener mit Telefonaten erfolgreich an der Lösung des Problems arbeiteten.
In Kabine 4 kam schließlich unser Guide in Person des Kraftwerksleiters hinabgeschwebt.
Rundgang Kraftwerk Enzingerboden
Einer allgemeinen Einführung sowie Erläuterungen in der Ausstellung (Eigenschaften des Bahnstroms, Netzfrequenzen, Geschichte der Anlage, Aus-/Umbauprojekte etc.) folgte zunächst der Rundgang durch das Kraftwerk Enzingerboden, das zwischen den Talstationen der PB und der EUB gelegen ist. Details hierzu spare ich in diesem Bericht aus. Wer am Kraftwerk interessiert ist, kann sich unter diesen Links weiter belesen:
https://infrastruktur.oebb.at/de/projek ... tauernmoos
https://de.wikipedia.org/wiki/Kraftwerk ... Stubachtal
Anbei einige unkommentierte Fotos aus dem Innern des Kraftwerks Enzingerboden. Fotografieren ist während der Tour ausdrücklich erlaubt.
Seilbahnfahrt Enzingerboden-Tauernmoos
Im Anschluss folgte die Fahrt mit Sektion 1 der Pendelbahn, Enzingerboden-Tauernmoos, zur Staumauer. Dieser dauert ca. 6 Minuten.
Die Bedingungen zum Fotografieren waren während der Auffahrt leider denkbar ungeeignet.
Mittelstation Tauernmoos
An der Mittelstation Tauernmoos gab es dann etwas Seilbahn-Programm. Im wuchtigen Gebäude im 50er-Jahre-Stil befinden sich die Antriebe beider Sektionen (eine Besichtigung ging sich leider nicht aus) sowie ein kleiner Ausstellungsbereich. Dort werden auch einige grundlegende Informationen zu den Anlagen präsentiert, die ja ansonsten eher rar sind.
Bergstation der 1. Sektion. Die letzte Stütze, Nummer 6, liegt höher als die Station, daher zeigen die Seile berg- statt talwärts.
Sichtbar war der Streckenverlauf bei meinem Besuch leider nicht.
Die gesamte Station erstrahlt in dieser Beton-Holzoptik, die mir sehr gut gefällt.
Die formschönen roten Gondeln bieten je Platz für 24 Personen.
In der Mittelstation macht die Streckenführung der beiden Sektionen einen leichten Knick. Der Umstieg erfolgt über diesen geschwungenen Gang mit großen Panoramascheiben.
Dort befindet sich auch der kleine Ausstellungsbereich zur Seilbahn, unter anderem mit diesem ausgedienten Steuerpult (vermutlich von Sektion 2).
Detailaufnahme Steuerpult
Weitaus interessanter ist der dort ausgehängte Artikel, der die Seilbahn beschreibt. Aus "HANKER, R.: Über den Bau der Stubachbahn, in: Elektrotechnik u. Maschinenbau (1951)" stammen die folgenden Informationen:
1950/51 wurde die Stubachbahn mit den Sektionen Enzingerboden-Tauernmoos und Tauernmoos-Weißsee in erster Linie als Seilschwebebahn für den Betrieb und Bau der Kraftwerksanlagen und auch für den Fremdenverkehr gebaut. Sie löste eine zuvor errichtete Materialseilbahn ab, die den Anforderungen nicht mehr gerecht wurde. Die neue Bahn wurde von den Firmen Simmering-Graz-Pauker AG Wien und Pohlig-Seilbahnen und Förderanlagen AG Wien gemeinsam errichtet. Die Fahrbetriebsmittel stammen von den Jenbacher Werken, Tirol, die Seile von Felten&Guilleaume aus Köln. Der Beschreibung nach gestaltete sich der Bau aufgrund sehr ungünstiger Witterung im Herbst und Winter 1950 und des unwegsamen Geländes schwierig. Beispielsweise wurde das Dach der Mittelstation vor dem Wintereinbruch 1950 nicht mehr fertig und die Antriebe mussten unter einem provisorischen, wasserdurchlässigen Dach installiert werden, ebenso bereitete das Auslegen und Spannen der teilweise festgeeisten Seile Schwierigkeiten.
Am 4. August 1951 wurde die Stubachbahn in Betrieb genommen. Bis 1980 war sie auch für den öffentlichen Verkehr in Betrieb, seitdem nur mehr teilöffentlich. Der Artikel von Hanker endet mit dem schönen Satz:
Daten Sektion 1:Hanker hat geschrieben:Alle an dem Bau Beteiligten, voran die den Bau leitenden Ingenieure und ihre Mitarbeiter, vom Obermonteur bis zum letzten Handlanger, können stolz sein auf das geschaffene Werk, das noch in ferner Zukunft künden wird von dem Fleiß, dem Mut und der Zähigkeit der Schaffenden, die den so schwierigen Bau zu einem glücklichen Abschluß gebracht haben.
Waagerechte Länge: 1.785 m
Höhenunterschied: 568 m
Stützen: 6
Daten Sektion 2:
Waagerechte Länge: 2.485 m
Höhenunterschied: 266 m
Stützen: 5
An den Gehängen können jeweils die roten Wagenkästen für den Personen- oder den Gütertransport angehängt werden. Über ein Schienennetz können die Güterkästen durch die Station von einer zur nächsten Sektion gefahren werden.
In den vergangenen Jahren war von einer geplanten Stilllegung der Werksseilbahn zu lesen, davon war während der Führung jedoch keine Rede. Vielmehr beschrieb der Werksleiter den Unterhalt einer Seilbahn als einzig sinnvolle Lösung: Schlagen Sensoren am Kraftwerkskomplex Alarm, ist es behördlich vorgeschrieben, dass ÖBB-Mitarbeiter innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne nachts wie tags den betroffenen Bereich erreichen müssen. Die Seilbahn sei im Vergleich zu Helikoptern und dergleichen die schnellste und vor allem Wetter-unanfälligste Transportmöglichkeit.
Die Mittelstation Tauernmoos von außen mit Einfahrt Sektion 1 links und Ausfahrt Sektion 2 rechts.
Stationsausfahrt Sektion 2
Führung durch die Staumauer
Von der Mittelstation aus ging es durch leichten Regen zur nahegelegenen Staumauer, durch deren Innern wir geführt wurden.
In den 1920ern begann der Bau der Gewichtsstaumauer (Tauernmoossperre). Mit einer Länge von 1.100 Metern ist sie einer der längsten geschwungenen Staumauern Europas. Das durchschnittliche Speichervolumen beträgt rund 55 Millionen Kubikmeter. Weitere Informationen unter:
https://de.wikipedia.org/wiki/Tauernmoossee
Über diese Wendeltreppe gelangt man von der Mauerkrone hinab ins Innere der Staumauer.
Diesem schmalen Gang zu Beginn folgt ein immer breiter werdender Hohlraum.
Blick zurück. In der Mauer hatte es eine sehr angenehme, ruhige Stimmung.
Auch hier gab es ausführliche Informationen zu Bau- und Funktionsweise der Anlage, beispielsweise kann über diese Leitung der Stausee kontrolliert geleert werden. Wer sich für diese Thematik interessiert, dem kann ich einen Besuch nur empfehlen. Mit Kindern kann ich die Tour nur bedingt empfehlen, da sie technisch detailliert und an einzelnen Stationen recht langwierig ist.
Der Auslass von außen.
Nun ging es den Weg wieder retour zur Mittelstation.
Seilbahnfahrt Tauernmoos-Weißsee
Zugang zur Mittelstation
Auf Sektion 2 war gerade ein Lastengehänge montiert.
Über diese Schmalspurschienen können Lasten von einer Sektion durch das Gebäude zur anderen gebracht werden.
Mit der Gegengondel ging es die letzten 266 Höhenmeter zur Bergstation Weißsee.
Rückblick Mittelstation Tauernmoos
Die zweite Sektion verfügt über 5 Stützen, die Zählung ist aber für beide Anlagen durchgehend.
Zeitweise lichtete sich der Nebel etwas, so dass zumindest ein paar brauchbare Fotos bei der Fahrt entstehen konnten.
Die Bahn muss wohl eine ansehnliche Trasse haben.
Kurz vor der Bergstation war dann wieder Nebelsuppe angesagt.
Die Bergstation ist baulich an das Hotel Rudolfshütte sowie die Bergstation der EUB angeschlossen, außer einem Ausgang hat die PB-Bergstation selbst nichts zu bieten. Über lange schmale Gänge erreicht man die übrigen Teile des großen Gebäudekomplexes, dort können einem schon mal schicke Großstädter mit Business-Rollkoffer entgegen kommen - dagegen wirkte ich mit meiner Wanderhose und den B/C-Stiefeln fast fehl am Platz.
Die Sicht oben war miserabel - hier würde man eigentlich den Skilift Hütte (Hersteller ROK - Rarität) sehen - daher fuhr ich gleich mit der EUB wieder ins Tal.
Talfahrt Weißsee-Grünsee-Enzingerboden
In ebenfalls zwei Sektionen bringt einen die Doppelmayr-EUB zurück zur 1.486 Meter hoch gelegenen Talstation. Die Anlage ist gut 30 Jahre jünger als die ÖBB-Pendelbahn, nach heutigen Standards aber auch schon alt - war mir sehr recht. Die Kartenleser passen gut ins 80er-Jahre-Gebiet. Ersten Skibetrieb gab es wohl schon vor dem Ausbau ab 1980.
Einen kurzen Moment gab der Nebel den Blick auf die Strecke und die insgesamt 40 Stützen (beide Sektionen zusammen) frei.
In der Mittelstation Grünsee fährt man über die Kettenförderer mehrere Minuten einen Zick-Zack-Kurs (S-Kurve).
Antrieb Sektion 1
Das letzte Stück vor der Talstation. Rechts der Station liegen die Anlage des Kraftwerks samt PB-Talstation. Fast so wie lang wie mit der EUB dauerte im Anschluss die finale Talfahrt über die zahlreichen Kehren mit dem Auto.