Los geht es morgens um halb neun an der Schneebergbrücke. Nach rund 1,5 Stunden teils steilem Aufstieg erreichen wir unser erstes Ziel, den Ausgang des Karlstollens. Dieser wurde 1660 angeschlagen, um das Bergbaurevier zu entwässern. Ursprünglich waren für den Bau des Stollens 34 Jahre veranschlagt. Es dauerte tatsächlich nur "geringfügig" länger - genau 90 Jahre - bis der Karlstollen fertig gestellt war. In den ersten Jahren betrug der Vortrieb in Schrämmtechnik ganze 2 cm pro Tag!
Am Karlstollen erhalten wir unsere Ausrüstung, die wir später für die Stollenbefahrung brauchen: Helm, Gummistiefel und Regenmantel. Das dürfen wir erstmal alles in die Rucksäcke stopfen, bevor es weiter hinauf ins eigentliche Bergbaurevier geht.

Nach einem weiteren Aufstieg erreichen wir den Bereich Seemoos. Hier wurde früher das Erz in Pochwerken zerkleinert und dann verladen oder im Erzkasten zwischengelagert. Hier beginnt auch der Seemooser Wassertonnenaufzug, das erste Teilstück der ehemals längsten Übertage-Förderanlage der Welt, welche bis zur Inbetriebnahme der Seilbahn 1926 genutzt wurde. Lediglich der Seemooser Aufzug war bis zur Einstellung des Bergbaus 1967 in Betrieb.



Über den Knappensteig / Bergbaulehrpfad steigen wir an Stollen und Abraumhalden vorbei weiter hoch in Richtung Schutzhaus.

Schließlich erreichen wir auf ca. 2350 Meter die ehemalige Bergbausiedlung St. Martin. Blick über den Seemooser Wassertonnenaufzug nach unten.

Ein Blick ins oberhalb gelegene Abbaugebiet "Himmelreich".

Nachdem uns Franz ausführlich den frei zugänglichen Schauraum erläutert hat, machen wir eine wohlverdiente Mittagspause am alten Herrenhaus. Etwa 700 hm Aufstieg haben wir auch schon geschafft.

Die große Arbeiterkaue brannte im Jahr 1967 ab und besiegelte das abrupte Ende der Besiedlung am Schneeberg. Nur das untere Stockwerk steht noch. Kurz vor dem Brand wurde der Poschhausstollen eröffnet, der den Zugang zum Revier vom Ridnauntal aus ermöglichte. Es ist daher mehr als wahrscheinlich, dass der Brand nicht nur ein Unglück war...

Blick zur Schneebergscharte, unserem nächsten Ziel.

Das ehemalige Herrenhaus, heute eine wunderschöne, stimmungsvolle Schutzhütte. Hier oben herrscht eine tolle Atmosphäre.

Durch die Abraumhalden machen wir uns auf den weiteren Weg nach oben. Franz erzählt uns, dass eine kanadische Firma am Erwerb der Abbaurechte interessiert wäre. Allerdings würde sie das ganze Revier kaufen wollen und ausschließlich Tagebau betreiben. Wollen wir hoffen, dass sich das Land Südtirol seiner Geschichte bewusst ist und das Gebiet noch lange als einmaliges Freilichtmuseum erhält...

Beim weiteren Aufstieg passieren wir den teilweise wieder hergestellten 14-Nothelfer-Wassertonnenaufzug. Vom oberen Ende aus ging eine Pferdebahn zum Kaindlstollen.

Etwa auf Höhe des Kaindlstollens ein Blick zurück über das Revier und die Knappensiedlung St. Martin. Frühere Planungen, den Kaindlstollen zugänglich und begehbar zu machen, wurden aus finanziellen Gründen verworfen - die Absicherung wäre viel zu teuer gewesen. Der Kaindlstollen wurde 1727 fertig gestellt; vor Bau der Seilbahn wurden ab 1874 die Hunte mit Pferden durch den Stollen auf die Ridnauner Seite gezogen und dort auf Flachstrecken und Bremsbergen zu Tal befördert.

Schließlich erreichen wir das Kaindljoch/Schneebergscharte auf knapp 2700 m. Seibahngeschichte zum Anfassen

Die erste Seilbahn wurde 1926 eröffnet und besiegelte das Ende der Übertage-Förderanlage (mit Ausnahme des Seemooser Wassertonnenaufzuges). Sie führte direkt über das Joch. Die erste Bahn hatte Holzstützen, die 1942 durch Metallstützen ersetzt wurden. 1956 wurde der kurze Stollen unter der Scharte herausgesprengt, der den Betrieb bei Wind und Schlechtwetter verbesserte.





Holz- und Fundamentreste der ersten Seilbahn. Oben die Hütte, in der ein Arbeiter "hauste". Der musste das Schaukeln der Gondeln bei der Überfahrt etwas bremsen.


Nicht gerade einladend...

Ein Highlight: Stützenrest der ersten Seilbahn direkt auf dem Joch - erbaut 1924 bis 1926.

Die Trasse bis zur Umlenk-Station. Im Gelände ist der Verlauf noch deutlich zu sehen. Das kommt vom Blei, welches aus den Gondeln gefallen ist. Bis heute ist der Boden im Bereich der Seilbahn belastet und entsprechend weniger bewachsen. Früher wurden die Almbauern sogar dafür entschädigt.

Unterer Trassenteil von der Umlenkstation zum Erzkasten / Mittelstation der Bahn. Direkt links daneben die Bergstation der EUB für die Arbeiter.

Nochmals die Reste der Grat-Stütze und die Arbeiterhütte.





Wir steigen ab in Richtung Kaindlstollen.

Am Ausgang des Kaindlstollens der Blick zurück nach oben zur Scharte. Von hier aus nehmen wir die Pferdebahn-Strecke, die zum Erzkasten am Lazzacher Bremsberg führt.


Der Lazzacher Bremsberg wurde ebenfalls teilweise rekonstruiert. Es ist faszinierend zu sehen, mit welchem technischen Wissen und Akribie diese alte Beförderungsanlage erbaut wurde. Komplett in Trockenbauweise!





Am unteren Ende des Bremsberges stand wieder ein Erzkasten für die Zwischenlagerung zur Verfügung.



Zoom zur Umlenkstation. Wäre sicher auch interessant, mal einen Blick hinein zu werfen.

Die Mittelstation. Unten die Bergstation der EUB, darüber die MSB, darüber der Erzkasten, in dem die Bahn von der Schneebergscharte ankam.


Nach einem letzten Abstieg kommen wir am Poschhausstollen an, der 1967 fertiggestellt wurde. Mit der Grubenbahn geht es hinein in den Berg... Aber nicht so weit wie üblich. Wenige Tage vor unserem Besuch ist das Gleis an einer Stelle gebrochen. Die Bahn fährt nur bis kurz davor und wir müssen dann erst mal 1,5 km weiter laufen. An der "tiefsten" Stelle haben wir knapp 900 Meter Fels über uns.


Nach dem ersten Fußmarsch werden wir mit Klettergurten und Sicherungssystem ausgerüstet. Dann geht es einen 60 hm einen ehemaligen Erzschacht hinauf: Dort, wo früher das Gestein zum Verladen heruntergeschüttet wurde, führt eine Leiter steil nach oben. In den letzten Tagen hat es viel geregnet, und hinter der Leiter rauscht ein ansehnlicher Wasserfall in dem Schacht nach unten. Oben auf "Sohle 60" angekommen können wir die Gurte wieder ausziehen und es geht zu Fuß weiter in Richtung Karlstollen.

Fotomäßig gibt es vom weiteren Weg nicht viel - das muss man einfach persönlich erleben. Der Stollen ist stellenweise seeeeeehr eng oder sehr niedrig - oder beides gleichzeitig. Dabei fließt ein ordentlicher Bach durch den engen Gang, und wir waten durch. Einige Kinder sind dabei, denen die Gummistiefel voll laufen. Selbst der Franz meint, dass er so viel Wasser selten hier drin gesehen hat. Um es kurz und bündig zu sagen: Eine abenteuerliche Stollenbefahrung!

Wir erreichen den Karlstollen, der uns wieder in Richtung Passeiertal führt. 1680 ist im Karlstollen in die Wand einmeißelt - und das gar nicht so weit vom Ausgang entfernt. Wie schon gesagt, der Bau dauerte etwas länger als geplant...

Schließlich kommen wir wieder ans Tageslicht. Helm, Regenmantel und Gummistiefel können wir wieder ausziehen. In die Stiefel haben alle mehr oder weniger viel Wasser eingeschöpft...

Nach dem gemeinsamen Abstieg erreichen wir wieder unseren Ausgangspunkt an der Schneebergbrücke. Insgesamt waren wir 11 Stunden unterwegs, haben rund 1100 hm Auf- und Abstieg und ca. 28 km Strecke (incl. 3,5 km Grubenbahn) zurückgelegt. Aber um es ganz einfach auf den Punkt zu bringen: Ein super toller Tag! Viel hochinteressante Geschichte und Geschichten, eine klasse Atmosphäre und dazu noch das Bergpanorama - da lacht das Herz

Ich denke, ich war nicht zum letzten Mal oben am Schneeberg. Das ist wirklich ein besonderer, faszinierender Ort! An dieser Stelle auch nochmals ein herzliches Dankeschön an unseren Führer Franz Kofler, der uns die Bergbaugeschichte(n) in einer tollen Art und Weise nähergebracht und erlebbar gemacht hat.
Glück auf!